Apolda. Claudia Stiewe und Eileen Kretzschmar fahren mit dem E-Bike zu ihren Klienten

Wenn Claudia Stiewe und Eileen Kretzschmar auf ihren grünen Elektro-Fahrrädern mit dem „Advita“-Logo durch Apolda rollen, werden sie öfter mal angesprochen. Ein Pflegedienst mit Fahrrad? Da hat wohl einer seine Pillen vergessen?

Nein, hat er nicht. Die Apoldaer Niederlassung der „Advita Pflegedienst GmbH“ bedient seit geraumer Zeit zwei ihrer täglichen Touren mit dem Fahrrad. Alexander Hoffmeister, der Niederlassungsleiter, hat schon vor drei Jahren das Gespräch auf dieses Fortbewegungsmittel gebracht. Und erinnert sich noch gut daran, wie alle die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben. Fahrrad? In Apolda? Geht ja gar nicht! Klar, der Mann hat seine Wurzeln im Harz, da muss ihm Apolda wie das flache Land vorkommen.

Heute ist nicht nur er froh, diesen Weg gegangen zu sein. Dabei waren für diesen Schritt weder gesundheitliche noch marketingtechnische Aspekte maßgeblich. Advita hatte ganz anderes im Sinn.

„Es gibt immer weniger Menschen, die für die Pflege geeignet sind, gleichzeitig steigt die Zahl der Pflegebedürftigen“, macht Hoffmeister deutlich. Das engt die Auswahl an Personal ein. „Ich kann doch niemanden ohne Führerschein von vornherein von dieser Arbeit ausschließen“, sagte er.

Nun, Apolda hat ein überschaubares Territorium, da bot sich ein solches Experiment an. Zumal man in Apolda-Nord und im südlichen Zentrum, Brühl, Jenaer Straße, Rudolf-Breitscheid-Straße eine recht hohe Dichte an Klienten – so heißen die Pflegebedürftigen im Fachjargon – hat. Doch dem rein mechanischen Fahrrad, das merkte man schnell, setzt die Apoldaer Topografie doch engere Grenzen. Schließlich, die Pflegekräfte sollen ja nicht abgekämpft in Apolda-Nord ankommen. Seit man auf Elektro-Bikes umgestiegen ist, gibt es keine Probleme mehr.

Das bestätigen auch die beiden Pflegekräfte, die regelmäßig mit dem Rad unterwegs sind. Claudia Stiewe arbeitet seit anderthalb Jahren bei dem ambulanten Pflegedienst. Jetzt erst macht die alleinerziehende Mutter ihren Führerschein. Eileen Kretzschmar, ebenfalls alleinerziehend, ist erst seit vier Monaten mit von der Partie. Sie möchte gar nicht erst Autofahren lernen. Mit dem Rad, so argumentieren die beiden, sind sie zwar auf dem Weg von der Niederlassung in ihr Einsatzgebiet langsamer als mit dem Auto, dort aber dann viel schneller bei den jeweiligen Klienten. Denn die Suche nach Parkplätzen in der Nähe der Wohnungen entfällt ebenso wie die Fußwege vom und zum Auto. Circa 15 Besuche pro Runde stehen dabei an, dabei legen sie gut zehn Kilometer auf dem Rad zurück.

Und das Gepäck?

„Was für Gepäck?“, fragt Hoffmeister. Was die Klienten benötigen, haben sie zu Hause. Und für die persönlichen Dinge oder medizinische Hilfsmittel wie ein Blutdruckmessgerät ist Platz in der Gepäcktasche.

Freilich, wenn es um das Erledigen von Einkäufen oder die Begleitung der Klienten bei einem Arztbesuch geht, bleibt das Auto unverzichtbar. Dennoch sind die Räder mehr als nur eine Abwechslung. Deren Einsatz führt zu höherer Flexibilität – und damit letztlich auch zu einer höheren Arbeitszufriedenheit. Das bestätigt auch Claudia Stiewe, die vor der Anschaffung der Fahrräder auf Fuß-Touren unterwegs war.

Niederlassungsleiter Alexander Hoffmeister, der zugleich als Pflegedienstleiter fungiert, kann schon vorausblicken: Auch im derzeit entstehenden Advita-Haus in der ehemaligen Hauptpost an der Bahnhofstraße sind verschiedene Maßnahmen aus dem Bereich der E-Mobilität angedacht. Doch das ist noch Zukunftsmusik.

Advita ist mit insgesamt rund 2500 Mitarbeitern nach eigenen Angaben einer der größten ambulanten Pflegedienste in Deutschland. Von den 40 Niederlassungen befinden sich vier in Thüringen; in Apolda sind 27 Mitarbeiter beschäftigt, die Tendenz ist steigend.