Arnstadt. Wahl 2019: Seniorenwohnpark Dorotheenthal in Arnstadt erhält Besuch von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn aus Berlin.

Wie weiter in der Pflege? – Das bewegt auch die Menschen im Ilm-Kreis. Wie soll man junge Menschen für den Pflegeberuf begeistern? Wie soll man schon etwas ältere Menschen dazu bewegen, eine entsprechende Umschulung zu absolvieren? Zu viel Arbeit, zu wenig Personal, zu schlechte Bezahlung oder zu schlechte Arbeitsbedingungen – das sind nur einige Stichwörter, wenn es um dieses Thema geht.

All das stand natürlich im Mittelpunkt einer Diskussionsrunde mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der Dienstagmorgen den Seniorenwohnpark Dorotheenthal in Arnstadt besuchte. Unter den Gästen waren in der Pflege Beschäftigte – egal ob solche aus der ambulanten oder stationären, im Krankenhaus, im Pflegeheim, von Betreuungsangeboten oder Arnstädter, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen.

Das Bild der Pflege und des Pflegeberufes in der Öffentlichkeit derzeit kein sehr gutes, es sei – so wurde in Arnstadt deutlich – zumindest problembehaftet. Gekommen waren auch etliche in der Pflege arbeitende Frauen der Initiative „proud to care“ – also „Pfleger – seid stolz auf euren Beruf“ aus Arnstadt und dem Ilm-Kreis.

Pflegeversicherung kann nicht alles leisten

Der Beruf müsse attraktiver gemacht werden. Da seien die Arbeitgeber genauso gefordert wie die in der Pflege Arbeitenden. „In der Pflege werden überall händeringend Leute gesucht, ob im Krankenhaus oder im Pflegeheim. Stimmt das Arbeitsklima, die Arbeitsbelastung oder der Lohn nicht, so können die Beschäftigten jederzeit wechseln, das ist anders als vor fünf oder zehn Jahren“, so Spahn. Er sprach von bis zu 80.000 offenen Stellen alleine in Krankenhäusern, die zu besetzen seien. „Nur mit ausländischen Fachkräften sei das nicht zu schaffen, sie können bestenfalls eine Ergänzung, aber kein Ersatz für hier gut ausgebildete Fachkräfte sein.“

Norman Westrich, der Pflegedienstleiter des DRK in Arnstadt, monierte, dass seine Mitarbeiter beispielsweise nur zwei von drei erbrachten Leistungen in der ambulanten Pflege von den Kassen erstattet bekommen würden. „Meine Leute müssen für das, was sie leisten, auch adäquat bezahlt werden.“ Das sei klar und unbestritten – so Spahn – aber die entsprechenden Verträge hätten die Verbände der Träger in jedem Bundesland mit den jeweiligen Kassen ausgehandelt und unterschrieben. Auch hier könne der Bund wenig tun, da gebe es teilweise heftigen Widerspruch von einigen Ministerpräsidenten aus den Ländern. „Man wirft mir ja eh vor, oft zu zentralistisch zu denken“, meinte Spahn mit Blick auf die Länderhoheit.

Nadine Lopuszanski von der Residenzleitung „Pro Seniore“ in Arnstadt forderte einen flächendeckenden Personalschlüssel von 1 zu 1,5 (Pflegekraft zu Bewohner), um die Arbeitsbelastung zu reduzieren und eine optimale Betreuung der Bewohner zu gewährleisten – und das bundesweit. Kein großer Widerspruch von Spahn, aber der Hinweis, dass der Arbeitsmarkt schon jetzt „leer gefegt sei“, nicht eingerechnet der 110.000 Arbeitskräfte, die in den nächsten zehn Jahren im Pflegebereich gebraucht würden.

Alexander Münzel vom Vorstand der Dorotheental AG bezeichnete die Finanzierung der Pflege als gleichzeitig deren größtes Problem. Der Eigenanteil der Bewohner liege im Osten mittlerweile bei 1600 bis 1700 Euro, die durchschnittliche Rente dagegen nur bei 1000 Euro. Widerspruch von Spahn: Es gebe – wie in kaum einem anderen Land der Welt – in Deutschland die Hilfe zur Pflege: „Da muss man zum Sozialamt, dort bekommt man die Differenz finanziert. Und das ist nichts Schlimmes, sondern etwas Gutes.“

Spahn verwies aber auch immer wieder auf den Spagat zwischen Föderalismus und „zentralistischer Politik“. Er nannte als ein mögliches Modell, dass es statt eines Eigenanteiles „einen festen Betrag als Fixum für alle gibt, den man zahlen muss, und die Differenz zahlt dann die Pflegeversicherung.“ Solche Denkbeispiele würden im Ministerium derzeit diskutiert, bis Mitte 2020 soll ein Gesetzentwurf vorliegen. Er wandte sich aber auch dagegen, „alles auf die Pflegeversicherung abzuwälzen“, man dürfe da die Familie mit ihrer Verantwortung nicht völlig aus der Verantwortung entlassen.

Für einen Lacher sorgte beim Rundgang im Frühstücksraum Heimbewohner Hans-Günther Boske. Auf die Bemerkung Spahns, er habe in Arnstadt richtig gut geschlafen, fragte er: „Mit wem?“ „Alleine“, so Spahn, der sich dabei auch ein Lächeln nicht verkneifen konnte.