Arnstadt. Bislang erinnern 148 Stolpersteine an die Schicksale jüdischer Familien in Arnstadt. Am 19. September kommen zwölf weitere dazu

Mit Bleistift trug Jörg Kaps einst erste Rechercheergebnisse zum Schicksal jüdischer Familien in ein kleines Heft ein. Doch bald schon reichten die Seiten nicht mehr aus. Je mehr er sich in Archivmaterial vertiefte, umso umfangreichere Zeugnisse fand er. Er lernte ihm bisher unbekannte Familien kennen, traf Nachfahren und Überlebende, führte Verwandte und alte Freunde wieder zusammen, schloss Bekanntschaften, die in bis heute prägen.

Mittlerweile füllen seine Erkenntnisse 14 Aktenordner. Irgendwann, sagt der Jugendsozialarbeiter, schreibt er ein Buch über das, was er über Jahre herausfand.

Für sich behält er seine Erkenntnisse freilich aber nicht. Kaps ist oft in den Schulen Arnstadts unterwegs, spricht mit Jugendlichen darüber, was im Dritten Reich in Arnstadt geschah und was aus den Menschen, die damals verfolgt wurden, wurde.

Sein Ziel: er will den Opfern nicht nur ihre Namen, ihre persönliche Geschichte zurückgeben, sondern möglichst auch ihr Gesicht. Daher sammelt er alles – von Geburtsregister-Einträgen über Passagierlisten und Totenscheine bis hin zu Fotos.

Parallel dazu widmet sich Kaps seit 2007 der Umsetzung eines Stadtratsbeschlusses. Seither wurden in Arnstadt 148 so genannte Stolpersteine verlegt. Sie werden vor den letzten Wohnadressen Arnstädter Juden eingelassen, tragen deren Namen und geben kurz Auskunft über ihr Schicksal.

Finanziert wird dies seit Jahren über Spenden. Mehr als 21.500 Euro wurden seit 2007 gestiftet. Mit dem Geld werden die Stolpersteine hergestellt, in den Boden eingelassen und später auch gepflegt.

„Ich würde mich freuen, wenn weitere Spenden bei der Stadt eingehen“, so Kaps. Denn mittlerweile sind weitaus mehr Opfer bekannt, als es Steine gibt.

Am 19. September sollen ab 10 Uhr die nächsten zwölf Stolpersteine eingeweiht werden. Los geht es in der Bahnhofstraße 34. Hier wird an Hermann Simon, seine Frau Fanny und Sohn Walter erinnert. Mutter und Vater wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert und ermordet. Walter gelang die Flucht in die USA. Er starb 1998 in New York. Nähere Informationen zu ihm hat Jörg Kaps bislang noch nicht. Doch hofft er, auch über seinen Lebensweg noch einiges zu erfahren.

In der Güntherstraße 15 wohnten Adolf Neuburger, seine Frau Marie Anna Flora und ihr Sohn Helmut Edmund. Adolf wurde von den Nazis als Halbjude eingestuft, seine Marie war keine Jüdin. Der Familienvater wurde zur Zwangsarbeit verpflichtet, alle Neuburgers mussten Demütigungen über sich ergehen lassen. Darüber schwieg Adolf Neuburger aber zeitlebens, so Kaps.

Enden wird die Tour in diesem Jahr in der Herzog-Hedan-Straße 16. Hier wohnte Max Schaul mit seiner Frau Julia und den Kindern Theodor, Dora und Paula sowie deren Mann Klaus. Max Schaul starb bereits 1937, Julia wurde in Belzyce ermordet. Auch Dora wurde deportiert und umgebracht. Theodor floh 1938 nach Australien, wo er 1981 starb. Paula indes begann eine Ausbildung im Landwerk Neuendorf, lernte dort Klaus kennen und heiratete ihn. Beide wurden 1943 nach Auschwitz deportiert. Beide überlebten – als einzige Arnstädter. In der Bachstadt trafen sie sich wieder, später wanderten sie in die USA aus.

In den nächsten Jahren sollen weitere Stolpersteine verlegt werden. Viele Schicksale liegen noch im Dunkeln, doch mittlerweile wird der Zugang zu Archivmaterial immer besser, so dass Kaps bei seinen Recherchen neue Erfolge verzeichnet.

Die Verlegung der Stolpersteine beginnt am 19. September um 10 Uhr in der Bahnhofstraße 34.