Neusiß. Regen verursacht massive Schäden. Kleine Kirchgemeinde und Pfarrer sind auf der Suche nach Fördermitteln

Von vielen Dorfkirchen in der Region ist der Baumeister unbekannt. Nicht so in Neusiß. Das Gotteshaus soll kein Geringerer als Clemens Wenzeslaus Coudray entworfen haben – ganz im klassizistischen Baustil. Helles Weiß und Absetzungen im zartem Rosa bestimmen die Wände, ein zarter Fries schmückt die Decke. Die bereits sanierte Witzmann-Orgel begeistert bei Konzerten.

Blick auf den Turm der 1842 fertiggestellten Kirche.
Blick auf den Turm der 1842 fertiggestellten Kirche. © Hans-Peter Stadermann

Der aus Konstanz stammende Coudray wirkte von 1816 bis zu seinem Tod 1845 als Oberbaudirektor des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach. Er prägte nicht nur das Stadtbild Weimars durch zahlreiche Bauten, er gestaltete auch Kapellen, Pfarrhäuser und Kirchen in Thüringen. Auf den berühmten Baumeister sind sie in Neusiß stolz und hoffen, dass ihnen der Name Türen öffnet, denn um ihr Bauwerk steht es schlecht.

Auf wackligen Stufen hinauf in den Turm

Für Pfarrer Kersten Spantig, der mehrere Geratal-Orte mit ihren Kirchen betreut, ist das Gotteshaus in Neusiß das Sorgenkind. Seit Jahren fallen Schieferplatten vom Dach, dringt Wasser in den Turm sowie das Kirchenschiff ein. Es hinterlässt nicht nur unschöne Spuren, auch tragende Hölzer verfaulen.

Wie schlimm es steht, sah sich der Landtagsabgeordnete Andreas Bühl (CDU) auf seiner am Montag gestarteten „Praktikertour“ an, bei der er eine Woche lang in seinem Wahlkreis Gemeinden, Betriebe und Vereine besucht. Gemeinsam mit Ortsbürgermeister Ralf Hühn (parteilos) und Vertretern der Kirchgemeinde ging es etliche wackelige Stufen bis hinauf in den Turm, wo die Schäden auch für den Laien sichtbar sind. Es muss etwas passieren, betonte Brigida Wedekind. Die 76-Jährige wurde in der Kirche getauft, wie sie erzählte. Auch die Goldene Hochzeit haben sie hier gefeiert.

Der Bundestagsabgeordnete Tankred Schipanski (CDU) machte allerdings wenig Hoffnungen auf Bundesmittel für die Coudray-Kirche – anders als kürzlich in der Oberkirche Arnstadt, die er mit Fraktionskollegin Patricia Lips, Berichterstatterin für das Denkmalschutz-Sonderprogramm des Bundes, besucht hatte. Dort ist die überregionale und nationale Bedeutung festgestellt, der Freistaat hat die Kofinanzierung für die Bundesmittel zugesagt.

Pfarrer Kersten Spantig weist auf gravierende Schäden am tragenden Holz des Kirchturms.
Pfarrer Kersten Spantig weist auf gravierende Schäden am tragenden Holz des Kirchturms. © Hans-Peter Stadermann

Doch wie weiter in Neusiß? Einen Lottomittelantrag könnte man unterstützen, sagte Bühl. Aber was sind ein paar tausend Euro, wenn nach Kostenschätzung durch das Architekturbüro „Smits +Tandler“ in zwei Bauabschnitten rund 400.000 Euro nötig wären? Es würde schon helfen, meinte Pfarrer Spantig. Aber klar ist: Wie viel die Kirchgemeinde auch sammelt, so eine Summe kann sie nicht zusammenbekommen. So hofft sie auf Unterstützung durch den Kirchenkreis, den Denkmalschutz und von der Stadt Plaue, deren Ortsteil das 220 Einwohner zählende Neusiß im Zuge der Gebietsreform geworden ist.

Vielleicht könnte man die Sparkassen-Kulturstiftung gewinnen, überlegte Bühl. Er will der Kirchgemeinde bei der Suche nach Geldern helfen. Schipanski machte auf einen Topf im Landeshaushalt für die Notsicherung von Kirchen aufmerksam. Das wäre keine Lösung, aber man würde Zeit gewinnen.

Aus der Historie

Die Kirche entstand nach einem Entwurf des deutschen Architekten Clemens Wenzeslaus Coudray 1841/42 im klassizistischen Stil und wurde am 4. Oktober 1842 eingeweiht.

Der viel kleinere Vorgängerbau musste wegen starker Schäden abgerissen werden.

Auch die Witzmann-Orgel stammt von 1842. Sie wurde nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten im August 2009 wieder geweiht.