Wort zur Wochenwende: Franziska Remdt über selbstauferlegte Zwänge

„Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.“ Immer diese Wochensprüche, denke ich, während ich an meinem Schreibtisch sitze. Und die sollen uns was über das Leben erzählen? Dabei ist mein Kopf auch so schon voll.

Das alte wie das neue Jahr

Wer soll bitteschön meinen Schreibtisch aufräumen, der überquillt vor lauter Papier und Bücher? Und das, obwohl ich mir vorgenommen hatte, etwas mehr Ordnung im neuen Jahr zu halten. Wer hilft mir, mehr Sport zu machen, wo doch mein innerer Schweinehund immer was dagegen zu haben scheint. Und überhaupt geht doch das neue Jahr irgendwie genau so weiter, wie das alte aufgehört hat: Mit viel „Man müsste mal“. Dieses „Man-müsste-mal“ müsste man mal abschaffen und ersetzen durch „Ich lass das jetzt so“.

Warum denke ich nur immer, bestimmte Sachen müssten jetzt einfach sein? Ich muss jetzt aufräumen, weil ich schon seit zwei Wochen nicht aufgeräumt habe. Ich muss jetzt Sport machen, damit ich auf meine zweimal Sport in der Woche komme. Ich muss jetzt aufstehen, weil es ja schließlich schon 9 Uhr an einem Samstag ist und ich sonst heute gar nichts mehr schaffe. Ich muss immer gute Laune haben und lächeln. Ich muss immer pünktlich sein. Ich muss zu allen Einladungen immer „Ja“ sagen. Ich muss, ich muss, ich muss.

Man muss nicht, man kann und darf

Der innere Hamster in meinem Kopf beginnt zu rennen und zu hetzen. Stopp! Ich sitze immer noch an meinem Schreibtisch vor meinem Computer und denke über den Wochenspruch nach. Wir haben Gnade bekommen. Schon längst. Von Gott. Und was das bedeutet, kann ich nur ahnen: Geh raus aus dem Hamsterrad und deinen Man-müsste-Mals. Trete ein Stück weg von all dem, was du meinst machen zu müssen und schau wenigstens ab und zu aus einer anderen Perspektive auf dein Leben – so wie Gott es tut.

Musst du wirklich? Oder meinst du nur, etwas zu müssen? Und entdecke dann, dass du vieles gar nicht musst. Vieles darfst du machen, wenn du möchtest, aber vieles darfst du auch lassen, denn du ahnst: So ist das, wenn Gott Gnade gibt. Dann bist du frei und darfst entscheiden. Und auch mal sagen: „Ich lass das jetzt so.“

Franziska Remdt ist Pfarrerin des Kirchengemeindeverbands Elxleben-Witzleben.