Arnstadt. Weniger Leben, mehr Werk: Das Schlossmuseum Arnstadt bereitet die Bach-Dauerausstellung „Hörbarer Glaube“ vor.

Restaurierte Fragmente eines frühgotisches Kruzifixes aus dem 14. Jahrhundert werden im ersten von vier Räumen hängen. Wer ihm den Rücken kehrt, blickt ins Schiff der Neuen Kirche, en miniature, wo die Wender-Orgel thront. Die hatte Johann Sebastian Bach 1703 derart geprüft und abgenommen, dass ihm das die erste Anstellung einbrachte. Der originale Orgelspieltisch, an dem er die nächsten vier Jahre sitzen sollte, offenbart sich hinterm Modell, sowie hinter Glas.

Was man nicht sehen, allenfalls wissen kann: Kirchlein und Spieltisch stehen in einem einst geweihten Raum, dort, wo sich im Neuen Palais Arnstadt die Schlosskapelle befand. Bach hat das halbe Schloss nie gesehen; er war längst Thomaskantor in Leipzig, als es errichtet wurde.

Aber es gibt jenseits der Neuen Kirche, die wir heute Bachkirche nennen, oder auch der Liebfrauenkirche, keinen verbürgten authentischen Ort Johann Sebastian Bachs mehr in Arnstadt. Das dortige „Bachhaus“ in der Kohlgasse verweist auf andere Mitglieder der weit verzweigten Musikerfamilie: Sebastian Onkel Johann Christoph oder Cousin Johann Ernst. Er selbst soll dort ein- und ausgegangen sein, heißt es immer wieder, vielleicht auch gewohnt haben. Es gibt Mutmaßungen. Ein Stadtmuseum gibt‘s in der Stadt indes nicht. Und so wurde, neben der Puppensammlung „Mon plaisir“ oder dem Porzellan- und Spiegelkabinett, die sich beide im Schlossmuseum am heimischen Ort befinden, Bach hier 2009 zum Dauergast, mit übernommener Dauerausstellung.

Ausstellung öffnet in drei Wochen

Die hat nun ausgedient, das Leben des Komponisten tritt künftig hinter seinem Werk vergleichsweise zurück. Und ein profaner Raum wird dabei gleichsam wieder sakral: unter musikhistorischen, mehr noch unter kulturtouristischen Aspekten: „Hörbarer Glaube – Johann Sebastian Bach in Arnstadt“ heißt die neue Schau. Noch im Entstehen befindlich, öffnet sie in rund drei Wochen.

Das verdankt sich, Anschub leistend, der Tourismus-Offensive „Bach in Thüringen entdecken“ (wir berichteten). Allein Arnstadt wird vom Wirtschaftsministerium mit 80.000 Euro gefördert, eine neue Hörstation vor der Bachkirche eingerechnet.

Für eine neue Bach-Ausstellung reicht das aber nicht. Die verlangt einen sechsstelligen Betrag. Da musste sich die Stadt selbstredend beteiligen, auch der Förderverein des Schlossmuseums wurde aktiv, Sponsoren sind mit 30.000 Euro beteiligt.

So wird Bach in Arnstadt auf 184 Quadratmetern neu inszeniert. Dafür habe man vorab „evaluieren lassen, inwieweit sich das Raumkonzept touristisch niederschlagen sollte“, so Museumsdirektorin Antje Vanhoefen. „Und man hat uns recht deutlich gesagt: In der Kürze liegt die Würze. Dem bin ich gerne gefolgt.“ Es wird nicht nur anderes, auch weniger gezeigt als bislang. Dafür hält die Museumspädagogik Einzug.

Vier Jahre, vier Räume. Das ist der Slogan. Aber das ist nicht das Konzept: ein Raum für jedes Jahr. Weniger Bachs Leben als sein Umfeld in Arnstadt versucht der erste Raum zu erzählen, eingebettet in den gesamten Lebensweg: von Eisenach bis Leipzig. Holztäfelchen, die man in die Hand nehmen kann, geben darüber spielerische Auskunft. Der „sakrale“ Raum ist dann auch der des widerspenstigen jungen Bach, über Hörstationen etwa vermittelt. Bekannt die Geschichte, wie Bach 1705 vier Wochen Urlaub nahm, um nach Lübeck zu pilgern, zum großen Organisten Dieterich Buxtehude. Er lernte dann fast vier Monate bei ihm.

Arnstadts Superintendent Johann Gottfried Olearius hielt ihm nicht nur das vor, sondern auch, „in dem Chorale viele wunderliche Variationes gemachet, viele fremde Töne mit eingemischet“ zu haben. Womit wir im dritten Raum wären, der Geisteswelt und Gelehrsamkeit gewidmet.

Olearius’ Sohn Johann Christoph, der sich als Liederkundler, als Hymnologe hervortat, taucht hier etwa auf: als es darum ging, die schon damals alten lutherische Verse neu deuten. Experte Benedikt Schubert vom Bach-Archiv in Leipzig kann sich hier ein bisschen in seinem Fachgebiet austoben. „Wir gehen hier dem Gedanken nach, dass sich diese Zeitspuren wiederfinden lassen in Bachs Musik“, sagt der Absolvent der Weimarer Musikhochschule. Diese hatte Schubert als Fachmann für die ganze Schau an Vanhoefen vermittelt.

„Das ist wahrlich trocken, das Brot“, sagt die Direktorin über die gelehrten Texte um 1700. Mithilfe etwa der Tagebücher Max Frischs und darin zu findenden Fragenkatalogen werde die Sache aber verdaulicher.

Sinnlicher soll es schließlich im vierten Raum werden, der mit silbrigem Tanzboden ausgeschlagen ist. Eine Licht-Klang-Installation zu Bachs Choralkantate „Nun komm, der Heiden Heiland“ entsteht hier mit 1000 LED-Lampen. Mit Arnstadt hat das Werk nichts zu tun, es entstand, nach Luthers Adventslied, 1724 in Leipzig. Aber eine Wolkenwand soll sich seinen Klängen entsprechend bewegen.

Arnstadt als Stammsitz eines Familienzweigs, rund um den Organisten Heinrich Bach (Sebastians Großonkel) spielte bei einer „Baustellenführung“ keine Rolle. Die „Bachstadt“ meint indes noch mehr als den jungen Wilden, dem Bernd Göbel 1985 auf dem Markt das ungewöhnlichste der Bachdenkmäler widmete.

Die Bach-Ausstellung wird Freitag, den 15. November, 15 Uhr eröffnet.