Wort zur Wochenwende von Thomas Kratzer, evangelischer Pfarrer in Arnstadt

Den Anfang des Gedichts von Johann Gottfried Seume kennt wohl jeder. Und das Ende der Kurzfassung auch: … böse Menschen haben keine Lieder. Will heißen: Wo gesungen wird, da geht vom Menschen keine Gefahr aus. Ein Lied aus uralten Zeiten, möchte man meinen.

Denn so einfach ist das mit dem Singen in diesen Tagen nicht. Keine Gefahr? „Gemeinsames Singen birgt besonders hohe Infektionsrisiken“, kann man eine unter vielen Verlautbarungen lesen, wie denn jetzt Gottesdienst zu feiern ist. Darum sollte „bis auf weiteres darauf verzichtet werden“.

Also Singen verboten! Verboten? Aber wie soll das gehen in einem Gottesdienst und in einer Kirche, zu deren Markenzeichen von Anfang an und bis heute das Musizieren und das Singen gehört? Kein Gesang, in dem ich meine Gedanken bergen, aus dem heraus ich Mut und Kraft schöpfen kann für meinen Alltag?

Keine Liturgie, die in ihrer steten Wiederkehr ein Zeichen und ein Versprechen der Treue Gottes ist, eine Musik aus einer noch anderen, kommenden Welt? Kein Lied, mit dem ich den Herrn lobe, solange ich lebe und meinem Gott lobsinge, solange ich bin (Ps 146,2)?

Das weckt den Protestanten in mir und ich bin versucht, allen Verfügungen zum Trotz mit einem Schlager zu kontern: Wir lassen uns das Singen nicht verbieten…

Und hätte dann auch das Kirchenjahr auf meiner Seite. Denn der Name des Sonntages morgen lautet: Kantate – was soviel heißt wie: Singet dem Herrn ein neues Lied! Was denn nun? Singen oder lieber nicht? Folgsamer Knecht sein oder Rebell? Oder alles nur pubertäres Gehabe, wo auf das elterliche „Nein!“ das prompte jugendliche „Doch!“ folgt?

Für unseren Gottesdienst werden wir Lösungen finden, denn er lebt von der Musik und vom Gesang wie dürres Land vom Regen. Und ich?

Habe ich ein Lied, das mein Leben wieder weckt und mich gefahrlos macht für andere?

Johann Gottfried Seume (1763-1810): „Wo man singet, lass dich ruhig nieder, Ohne Furcht, was man im Lande glaubt; Wo man singet, wird kein Mensch beraubt: Bösewichter haben keine Lieder. | Wenn die Seele tief in Gram und Kummer; ohne Freunde, stumm, verlassen, liegt, weckt ein Ton, der sich elastisch wiegt, magisch sie aus ihrem Todesschlummer. Wer sich nicht auf Melodienwogen von dem Trosse des Planeten hebt und hinüber zu den Geistern lebt, ist um seine Seligkeit betrogen.“