Michael Voß über die Größe einer Kleinen

Na, haben Sie heute schon etwas vermessen? – Es wäre vermessen, darüber hinwegzugehen. Anmaßend, es zu ignorieren. Gerade heute am Welttag des Messens. Der soll daran erinnern, dass heute vor 155 Jahren das Gros der Länder den Ur-Meter und das Ur-Kilogramm anerkannte.

Und welch immense Bedeutung ein Konsens über den Maßstab hat – für Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft. Im Großen, wie im Kleinen.

Nun, unsere Tochter zählt mit ihren 1,34 Meter bei den Neunjährigen eher zu den Kleinen. Aber sie ist eine große Vermesserin: Täglich führt sie derzeit ihre Eltern, sehr zum Verdruss der Mutter, zur Waage und erteilt dann altklug Ratschläge. Der Türrahmen der Küche ist mit dutzenden Bleistift-Strichen nebst Datum verziert, weil sie es kaum erwarten kann, wieder einen Zentimeter größer zu sein.

Doch manches wächst schneller. Im Garten pflanzte ich zu ihrer Geburt einen Eiben-Busch. Nun musste das Kind, ein wenig neidisch und nachdenklich, feststellen: In diesem Frühjahr überragt die Pflanze erstmals mit einem Zweiglein ihren Blondschopf. Und ich ahne: Irgendwann werden beide mich überflügeln. Der Busch meine 1,79 Meter, die Tochter vielleicht nicht dies, aber garantiert viele meiner Eigenschaften.

Das sage ich stolz, ohne maßlos zu sein.