Schlotheim. Sabine Lindner führt ihre Zuhörer auf der Kunstbühne Schlotheim durch vergangene musikalische Welten.

Es ist einfach ein Traum – ein Sommernachtstraum. Oder genauer: ein Sommerabendtraum. Mittelalterliche Instrumente wie eine keltische Hakenharfe, eine kleine tragbare Harfe, gefertigt nach einer Abbildung aus dem 10. Jahrhundert, Glöckchen, Block- und Hornflöte, Psalter, Monochord, Hackbrett, Bordun-Drehleier kommen zum Einsatz.

Dazu eine eindringliche, einprägsame, dynamisch wandlungsfähige Singstimme, die sich mühelos in den mittelalterlichen, teils an die „Kirchentonarten“ angelehnten Modi zurechtfindet. Am Freitagabend gehört die Schlotheimer Kunstbühne für zwei Stunden Sabine Lindner, die ihren Gesang selbst begleitet. Manchmal wird sie von ihrem Mann, dem Grafiker und Skulpturenkünstler Thomas Lindner, an einem der einfacheren Instrumente unterstützt.

Moderne Lieder wirken weniger imposant

Zwischendurch führt sie ihre Zuhörer durch kluge und berührende Worte in die klingende Welt der Kelten ein. Es sind Lieder von Liebe und Entsagung, von Glück und Trauer, vom verborgenen Sinn des Lebens. So ersteht er lebendig neu vor unserem inneren Auge, der Minnesänger Ulrich von Liechtenstein: „Wem Gott gibt, dass er liebt, der darf fröhlich sein ...“. Oder Hildegard von Bingen, die die heilenden, harmonisierenden Kräfte der Natur preist.

Aber auch die in spätere Zeiten fortwirkende musikalische Tradition begegnet uns. Etwa in dem traurigen, gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Lied von der Dubliner Fischhändlerin Molly Malone, die ein Fieber ihrem Liebsten entreißt.

Manchmal glaubt man zu meditieren, etwa wenn Thomas Lindner die Bordunleier dreht, die uns in ihrem Beharren auf diesem ihren einzigen Akkord in eine tranceartige Stimmung versetzt.

Oder wenn er über die zwanzig gleichgestimmten Saiten des Monochords streicht und damit zum Gesang und Harfenspiel seiner Frau einen einzigen Ton, der weder Anfang noch Ende zu kennen scheint, durch den Raum wehen lässt.

Überraschenderweise kommen Lieder der Neuzeit, etwa auf Texte von Rilke oder von Reinhard Mey, musikalisch auf diesen alten Instrumenten zum Klingen gebracht, nicht minder gut an.

Als der lange Beifall eine Zugabe verlangt, singt Sabine Lindner ein Lied des jungen Gerhard Schöne: „Klang der Stille“. Eine stimmigere Zusammenfassung dieses Abends ist kaum vorstellbar: „Manchmal liege ich und lausche / bang in mich hinein. / Kommt das Lärmen noch zur Ruhe, / ist das Schweigen rein?“