Eisenach. Beim Fliegerangriff vor genau 75 Jahren mussten 28 Eisenacher ihre Leben lassen. 500 Menschen wurden dabei obdachlos.

Insgesamt mehr als 400 Tonnen Bomben gehen bei mehreren Luftangriffen der Alliierten während des Zweiten Weltkriegs über Eisenach hernieder und sorgen für zahlreiche Todesopfer und Schwerverletzte, aber auch für erhebliche Schäden an Betrieben der Rüstungsproduktion sowie an Privathäusern. Alle Bombenabwürfe zerstören insgesamt 177 Gebäude in der Stadt. Bei den Luftangriffen zwischen Februar 1944 und Februar 1945 lassen mindestens 324 Eisenacher ihr Leben.

Heute vor genau 75 Jahren, am 20. Juli 1944, ereignete sich die zweite Bombardierung der Wartburgstadt. Die „Field Order Nummer 898“ des Hauptquartiers der zweiten Bomberdivision erhielt den Einsatzbefehl zur ersten Bombardierung von Eisenach. „Nachdem Eisenach am 24. Februar 1944 versehentlich angegriffen wurde, war die Stadt am 20. Juli erstmalig richtiges Ziel“, erzählt der Eisenacher Luftkriegshistoriker Eberhard Hälbig. Dieser Einsatzbefehl vermerkte speziell zwei Werke der Luftkriegs- und Rüstungsindustrie in Eisenach als Ziele. Das sogenannte Stadtwerk sowie das Waldwerk von BMW sollten vom 20. und 96. Bomber-Kampfgeschwader (Combat Bomb Wing) mit jeweils neun Bomber-Staffeln empfindliche Treffer ereilen.

An diesem Tag steuerten von der britischen Insel insgesamt über 1200 schwere Bombenflugzeuge der 8. USAAF verschiedene Ziele im Deutschen Reich an. „Eisenach hat ein Riesenglück gehabt, denn aufgrund von schlechtem Wetter haben nur zwei von sechs Squadrons Eisenach erreicht – das wären sonst nicht 21, sondern etwa 70 Flugzeuge gewesen“, sagt Eberhard Hälbig.

50 Sekunden Angriff, mehr als 600 Bomben

Aus dem Bericht der Amerikaner ist zu entnehmen, dass beide Squadrons die Wartburgstadt in einem Kurs von 330° anflogen. Der Angriff der ersten Squadron mit elf Flugzeugen, die 130 Sprengbomben abwarfen, passierte um 11.33 Uhr und dauerte ganze zehn Sekunden. Die zweite Squadron griff bereits um 11.31 Uhr an. Sie brauchte 40 Sekunden, um ihren Angriff durchzuführen, wobei zehn Maschinen 488 Brandbomben „verloren“. Das Wetter verwehrte den Amerikanern die Anfertigung von Trefferfotos.

Ein Verzeichnis listet die Namen der Toten nach dem Bombenangriff auf.
Ein Verzeichnis listet die Namen der Toten nach dem Bombenangriff auf. © Archiv/ Sammlung

„Bei diesem Angriff kamen insgesamt 28 Menschen ums Leben, darunter waren auch vier Krankenschwestern des Kreiskrankenhauses. 500 Einwohner unserer Stadt wurden obdachlos“, schreibt der Eisenacher Arthur Heuse in der Veröffentlichung „Bomber über Eisenach“ aus den „Heimatblättern ‘93“ der „Eisenacher Presse“. Das Stadtkrankenhaus erlitt Beschädigungen durch einen Treffer am Südost-Flügel. 16 Wohngebäude wurden total zerstört, 15 weitere Gebäude schwer beschädigt. „An 30 Gebäuden registrierte man mittlere Schäden und 183 Häuser galten als leicht beschädigt“, so die Erinnerung des Zeitzeugen. An den Folgen des Angriffes starben im Diakonissenkrankenhaus fünf Personen, 51 Personen wurden verwundet, listet das „Staatliche Gesundheitsamt des Stadtkreises Eisenach“ in einem vertraulichen Bericht zur ärztlichen Versorgung der Zivilbevölkerung vom 22. Juli an den Oberbürgermeister auf. „Die Wasserversorgung war vorübergehend im Nordviertel gestört“, schreibt der Amtsarzt in seinem Bericht.

„In den Bayrischen-Motoren-Werken sind 3-4 Sprengbombenwürfe und 30 Flüssigkeitsbrandbomben festgestellt worden“, steht im Bericht des Kreisamtsleiters vom 21. Juli 1944 an das Amt für Volkswohlfahrt in Weimar. Maschinen seien „so gut wie nicht“ beschädigt worden. „Es sind nach dem Stand von 17 Uhr etwa 8.000 qm Glasreparaturen, 150 bis 180 cbm Holz und etwa 10.000 laufende Meter Dachpappe nötig“, heißt es in diesem Bericht über die Schäden im Rüstungsbetrieb weiter. Durch eine Sprengbombe sei auch das Reservelazarett Nordschule „ziemlich mitgenommen“ worden. Etwa drei, vier Meter tief gruben sich Blindgänger in der Wartenbergstraße und der Graf-Keller-Straße ins Erdreich.

„Aufgrund von Störungen im Gas- und Wassernetz müssen über 3000 Menschen verpflegt werden“, stellt der Kreisamtsleiter damals fest. Eisenachs Wasserwerk setzte Wasserwagen und Wasserbehälter ein. Neben der Verpflegungsausgabe im Schadensgebiet wurde noch eine Verpflegungsstelle in der Auffangstelle „Karolinenschule“ eingerichtet, heißt es im Bericht vom 1. August 1944 des Leiters des örtlichen Arbeitsstabes nach dem feindlichen Fliederangriff. Die „Karolinenschule“, eine Oberschule für Mädchen, befand sich am Julius-von-Eichel-Platz No. 6 (heute Theaterplatz). Möbel aus 30 betroffenen Haushaltungen wurden mit Unterstützung von Wehrmachtsangehörigen in der Roese- und in der Turnhalle an der Goethestraße untergestellt. Von rund 40 weiteren Haushalten kamen Möbelstücke bei Verwandten unter.