Eisenach. Steffen Mensching und Michael Kliefert bringen ihr literarisch-musikalisches Programm „Die Welt auf der Welle“ ans Landestheater Eisenach.

Ja, das Meer ist blau, so blau. Derart ätzte Brecht in seinem „Matrosen Tango“, mit Weill. Das klingt hier, neu arrangiert wie so vieles, an. Und ja, auch die Vorbühne ist blau, so blau. Dabei wissen wir spätestens, seit ein gewisser Pantommel in einem Kinderbuch versuchte, das Meer zu malen, dass es seine Farbe so häufig wechselt wie seine inneren Zustände: mal still, mal aufbrausend.

„Die Welt auf der Welle“, die vom Rudolstädter ins Eisenacher Landestheater gespült wurde, ist jedoch unveränderlich. Sie bleibt blau. Und in der ungeheuern Weite, um Goethe zu bemühen, reget keine Welle sich.

Dabei, diese Art von Meeresstille ereignet sich binnen insgesamt zweieinhalb Stunden durchaus geräuschvoll: Sehr viel Text, gesprochen, gestaltet und gesungen von fünf Schauspielern, auch jede Menge Musik, gespielt von einem Streichorchester der Thüringer Symphoniker nebst dem Duo Karla Wenzel und Tobias Vethake, sorgen für ein allgemeines Grundrauschen in theatralischer Brandung, die alles wieder wegspült.

Es wird viel (und übrigens auch sehr gut) gesungen, von Donavans „Atlantis“ bis Trenets „La mer“. Ein Lied Howard Carpendales aber fehlt, das die Wirkungskraft des maritimen Abends präzise beschriebe: Deine Spuren im Sand, die ich gestern noch fand, hat die Flut mitgenommen.

Steffen Mensching und Michael Kliefert navigieren mit musikalisch-literarisch eingenordetem Kompass eine politisch-poetische Revue an: das Meer und die Seefahrt als Metaphern für den Zustand einer Gesellschaft, die immer wieder Schiffbruch erleidet. Dafür hält die Bühne von Manfred Kolb das obere Teil eines Containers bereit, wie ihn Frachtschiffe gar nicht so selten ans Meer verlieren. Darauf und drum herum nehmen eine Frau und vier Männer breitbeinig und hemdsärmelig diverse Posen ein. Sie muten jedoch weniger an wie Seefahrer, vielmehr als Protagonisten im Hafenarbeitertheater, die die ihnen angelegten Ketten nicht sprengen und den Anker niemals lichten können. Der Abend kommt einfach nicht in Fahrt.

Es gibt berührende Momente und gelungene Übergänge: wenn etwa Markus Seidensticker aus Schuberts Heine-Vertonung „Das Meer“ eine Pop-Ballade macht, wenn er auch mit Kafka „Bin ich nicht Steuermann?“ fragt, woraufhin Johannes Geißer Fontanes „John Maynard“ zu Vethakes Klängen besingt: „Wie weit noch, Steuermann?“ Das allerdings fragen auch wir uns häufiger in einer Aufführung ohne viel Dramaturgie.

Mensching und Kliefert geben ihren Spielern nichts in die Hand, von Texten abgesehen. Einer spricht oder singt, die anderen hocken daneben und hören zu. Sonst geschieht so gut wie nichts. Sie kommen nicht in die Stille, sie kommen nicht ins Spiel.

Ein Ensemble ringt um Haltung, es erzählt sich auf langer Überfahrt mit lauter Flauten eben: Seemannsgarn. Hinter ihnen und dem Orchester dreht sich mitunter eine Schiffsschraube. Wild, ungestüm, unberechenbar wird das Meer allein in Videoprojektionen auf transparentem Zwischenvorhang. Die Welt auf der Welle hingegen verebbt zusehends.

Wieder zu sehen am 22. und am 29. September, jeweils um 15 Uhr.