Arne Martius über ein Vorurteil, das nicht mehr so ganz passt.

Zu allen Zeiten wurde über die Jugend geschimpft. Zu aufmüpfig, zu faul, zu unangepasst: Diese Litaneien kennen viele Jahrgänge. Im Ilm-Kreis, wo demografisch gesehen ohnehin eher die Älteren das Sagen haben, fallen mir aber in jüngster Zeit ein paar Begebenheiten auf, in denen Senioren nach dieser Logik entweder nie das Jugendalter verlassen haben – oder das Vorurteil über junge Leute auf den Kopf stellen wollen.

Da ist die ältere Dame, die vor den Augen von Kindern die Straße bei Rot überquert, als wäre das Lichtzeichen Luft. Da sind die augenscheinlich kurz vor dem Renteneintritt stehenden Frauen, die beim Einstieg in den Bus erst einmal Schulkinder beiseite schieben, um an einen Sitzplatz zu kommen. Gut – das könnte auch eine reine Vorsichtsmaßnahme sein, weil die frechen Flegel für ältere Menschen nicht mehr aufstehen. Und da ist die Sache mit dem Polizisten, der für kurze Zeit eine Straßenzufahrt sperrt und von einem Senior hinter dem Lenkrad umgangen wird.

Eigentlich muss das niemanden wundern: Warum sollten in einer Gesellschaft, in der nur noch die dickste Hornhaut auf den Ellenbogen etwas zählt, ausgerechnet die Älteren zurückstecken? Wie schön waren da noch die Zeiten, in denen man wenigstens alles auf die Jungen schieben konnte.