Notfallseelsorge in Mühlhausen, Bad Langensalza und Umland: Wenn die Seele nur noch schreien kann

Claudia Bachmann
| Lesedauer: 3 Minuten
Seit 20 Jahren arbeiten ehrenamtliche Notfallseelsorger im Landkreis. Zum Team gehören (hinten von links) Karola Stützer, Gabriele Sterzing, Ellen Ebert, Dorothea Vockrodt, Angela Schüler, Elke Heinrich, Kristin Freytag und Michael Schmidt sowie  Matthias Reißland (vorn links) und Friedemann Schlede (vorn rechts). Beide sind von Beginn an dabei. 

Seit 20 Jahren arbeiten ehrenamtliche Notfallseelsorger im Landkreis. Zum Team gehören (hinten von links) Karola Stützer, Gabriele Sterzing, Ellen Ebert, Dorothea Vockrodt, Angela Schüler, Elke Heinrich, Kristin Freytag und Michael Schmidt sowie Matthias Reißland (vorn links) und Friedemann Schlede (vorn rechts). Beide sind von Beginn an dabei. 

Foto: Claudia Bachmann

Mühlhausen.  Seit 20 Jahren gibt es im Kreis ehrenamtliche Notfallseelsorger. Sie kümmern sich in Bad Langensalza, Mühlhausen und Umgebung um Opfer, Angehörige und immer häufiger um die Retter selbst.

Es ist manches Mal schwer auszuhalten. Das hat Friedemann Schlede in den vergangenen 20 Jahren erfahren. Der Pfarrer im Ruhestand gehörte zu den sieben Begründern der Notfallseelsorge im Unstrut-Hainich-Kreis und hat es in der Zwischenzeit auf fast 100 Einsätze gebracht.

Notfallseelsorger beraten und unterstützen Menschen in seelischen Notlagen. In akuten Krisensituationen bieten sie professionelle Begleitung und Betreuung an - Opfern, Angehörigen, Beteiligten, aber auch Rettern und Helfern.

Als es darum ging, die ehrenamtliche Notfallseelsorge auf den Weg zu bringen, arbeitete Friedemann Schlede als Seelsorger im Krankenhaus. Die Idee dazu, sie trieb ihn schon länger um. Umgesetzt werden konnte sie, als mit Reiner Engel aus Bad Langensalza ein Mann die Leitung des Diakonisches Werkes übernahm, der selbst schon im Rettungsdienst gearbeitet hatte. Der Einsatz in der Notfallseelsorge braucht Ausbildung. „Sonst kann man viel falsch machen“, weiß Schlede.

Ohnmacht, die die Helfer aushalten müssen

An manchem Einsatz in den vergangenen Jahren trug er schwer. Da war der Verkehrsunfall zwischen Mühlhausen und Eigenrieden, bei dem drei junge Leute starben. Das Betreuen einer Klasse an der Berufsschule, als ein Mitschüler Suizid begangen hatte. Das Begleiten der Freunde und Familie eines Erntehelfers, der in der Talsperre Seebach starb. „Diese Ohnmacht muss man aushalten können. Das hat auch mich gestresst.“ Noch einmal besonders bewegte ihn der seelsorgerische Einsatz, nachdem eine Mutter ihr dreijähriges Kind überfahren hatte. „Da bin ich an die Grenzen geraten und war froh, dass mir zu Hause meine Frau zugehört hat.“

Dass es gelingt, die innere Distanz zum Geschehenen zu bewahren, das sei „einem verlässlichen Team“ und auch der Supervision zu verdanken.

Zwölf Frauen und sechs Männer bilden aktuell das ehrenamtliche Team der Notfallseelsorger im Landkreis. Geführt wird es von Kati Leist und Alexander Wettig. Der Mühlhäuser registriert: Die Notfallseelsorger werden immer häufiger von Rettern gerufen, um das Geschehene zu verarbeiten. In diesem Jahr sechs Mal. Insgesamt hat es in den ersten neun Monaten 53 Einsätze gegeben.

Dass auch Retter dieses Angebot annehmen, das hat seine Zeit gebraucht, sagen auch Anja Rödiger-Erdmann, Koordinatorin bei der Landeszentralstelle für psychosoziale und seelsorgerliche Notfallversorgung, und Jan Gräbedünkel, der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes im Unstrut-Hainich-Kreis. Es brauche mehr Aufklärung – schon in der Ausbildung der Feuerwehrleute, unter denen immer noch das Bild vom harten Feuerwehrmann vorherrscht.

Matthias Reißland, Pfarrer aus Bollstedt, ist ein weiterer Mann der ersten Stunde bei der Notfallseelsorge im Unstrut-Hainich-Kreis. Ihn wühle das Ehrenamt als Helfenden auf: „Doch trotz aller innerlichen Zerrissenheit muss man Ruhe ausstrahlen, zuhören. Ich spüre bei meiner Arbeit die Kraft von oben.“ Dabei ist das Angebot der Krisenintervention durch die Notfallseelsorger kostenfrei und nicht an eine Konfession gebunden.

Der Landkreis unterstützt die Notfallseelsorge aus seinem Haushalt; Landrat Harald Zanker (SPD) hatte zur Feierstunde in die Martinikirche die 2000 Euro für dieses Jahr mitgebracht. Sein Parteikollege Johannes Bruns, der Mühlhäuser Oberbürgermeister, spendierte 250 Euro für ein das Team stärkendes Zusammensein.