Die Andacht zum Wochenende betrachtet den gesamten österlichen Festkreis.

Das Osterfest liegt nun schon einige Wochen zurück. Zum österlichen Festkreis gehören aber auch noch die Feiertage, die wir in den kommenden Tagen begehen: Christi Himmelfahrt und das Pfingstfest. Erst mit der Feier dieser Tage erfüllt sich das in Gänze, was die Christenheit am Ostertag mit freudigem Herzen verkündet: Jesus ist von den Toten auferstanden! Er hat den Tod besiegt und uns das Tor zum Himmel weit aufgetan!

Der Ostertag selber, den die Jünger damals erfahren haben, war freilich alles andere als ein Jubeltag. Die Entdeckung des leeren Grabes, die noch frischen Eindrücke des schrecklichen Karfreitages und die Angst, dass es ihnen als Anhänger Jesu auch an den Kragen gehen könnte, lässt die Jüngerinnen und Jünger der ersten Stunde eher in eine Art Schockstarre fallen. Zu groß wiegt der Verlust ihres geliebten Herrn und Meisters. Zu groß ist die Panik angesichts der Frage, was wohl mit dem Leichnam Jesu passiert sei. Und dazu noch die Botschaft der Engel im Grab: „Er ist nicht hier!“

Ostern ist in seinem Ursprung zunächst einmal eine unglaubliche Verlusterfahrung. Es braucht Zeit, bis die Erfahrung greifbare Wirklichkeit wird: Der Herr ist auferstanden, er lebt und er ist unter uns wirklich gegenwärtig! Zweifel und Skepsis verwandeln sich allmählich in Staunen und Freude. Doch wenn es am Schönsten ist, soll man bekanntlich aufhören – der Zauber der ersten Wochen nach Ostern bricht jäh ab, als Christus vor den Augen seiner Jünger zum Himmel emporfährt. Das feiern wir in der kommenden Woche am Fest Christi Himmelfahrt.

Und auch hier wieder kein wirklicher Grund zum Feiern. Er, der von den Toten wiedergekehrt ist; er, der heilsam und Freude schenkend unter den Seinen anwesend war – er wird zum Himmel entrückt auf „nimmer Wiedersehen“! Eine neuerliche Verlusterfahrung, die die Anhänger Jesu erst einmal verkraften müssen. Dieses Mal werden sie von den Engeln sogar zurechtgewiesen: „Ihr Männer aus Galiläa, was steht ihr da und starrt zum Himmel empor?“ (Apg 1, 11). Deshalb braucht es das Pfingstfest, damit die österliche Verlusterfahrung Sinn und Zukunft erhält.

Ausgestattet mit Gottes Geist werden die Apostel nun in die Welt hinausgesandt, um zu verkünden, was sie gesehen und erfahren haben. Nur so – in Gottes belebendem Geist – wird das lebendig, was sich Ostern ereignet hat. Der irdische Verlust Jesu verwandelt sich in die geheimnisvolle Gegenwart seines Daseins für alle Menschen. Tod verwandelt sich in Leben.

Karfreitag, Ostersonntag, Christi Himmelfahrt und Pfingsten gehören innerlich zusammen. Sie sind gleichsam einzelne Aspekte des einen großen Geheimnisses, durch das Gott einen jeden von uns immer wieder aufrichten will, wenn uns selbst ein Verlust niederdrückt. Überall da, wo wir um verpasste Lebensgelegenheiten, um misslungene Beziehungen, um Folgen unserer Schuld und Grenzen oder um einen geliebten Menschen trauern, vermag Gott in diese Leere das Licht seines Lebens und seiner Gegenwart hineinzugießen.

Wenn wir ihm die leeren Gräber unserer Verluste bewusst hinhalten, wird er sie mit Neuanfang und Segen erfüllen.

Freilich in den meisten Fällen anders, als wir uns das vorstellen oder wünschen. Aber auch die Jünger mussten die provozierende Frage der Engel im Grab erst verstehen lernen: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“

Es ist lohnenswert, sich selbst angesichts einer eigenen Verlusterfahrung im Leben einmal genau diese Frage zu stellen. Und wer eine Antwort darauf findet, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus…