Greußen. Heute vor 150 Jahren begann mit der Bahnepoche ein wirtschaftlicher Aufschwung in der Helbe-Stadt. Viele Bauern waren aber damals gegen die Dampfrösser.

Heute vor 150 Jahren wurde der Bahnhof in Greußen in Betrieb genommen. Gefeiert wird dieses Jubiläum jedoch nicht.

Am 8. August 1869, es war ein Sonntag, geschah Folgendes: Wie alle Stationen war auch die unsrige (Wortlaut von Hermann Hesse im Heimatbuch der Stadt Greußen 1927) aufs Festlichste geschmückt, und als der aus acht Personenwagen bestehende Zug, in denen 200 Personen und sämtliche am Bahnbau beteiligten Behörden Platz genommen hatten, mit Lokomotive „Günther II“ um 12 Uhr in Greußen einlief, kannte die Begeisterung keine Grenzen. Sämtliche Greußener Behörden und zahlreiche Vereine waren zum Empfang erschienen, der Bürgermeister hielt eine zündende Ansprache, und manches Glas wurde zur Begrüßung geleert.

So und ähnlich wurde dieser einmalige Tag von Zeitzeugen beschrieben und gefeiert, nicht nur in Greußen. Denn an allen Orten an der etwa 78 Kilometer langen Bahnstrecke begann eine neue Zeitepoche. Am 17. August 1869 war der Beginn des offiziellen Bahnbetriebes.

Bereits am 21. Dezember 1866 wurde mit einem Staatsvertrag der betroffenen Länder Königreich Preußen und Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen der symbolische Grundstein der Strecke gelegt. Im August 1867 begann an mehreren Stellen gleichzeitig der Bau der Strecke und der Bahnhöfe.

Für uns heute unvorstellbar: Nur zwei Jahre dauerte der Bau. Alle Bauwerke ähneln in Form und äußerem Erscheinungsbild einander. Auch wurde an die Bedürfnisse der Gäste gedacht, und es gab eine Toilette im schönen Fachwerkstil als Nebengebäude. Die derzeit zur Debatte stehende Unterführung wurde erst nach 1902 gebaut. Nach 1909 wurde die erste Überdachung errichtet.

Auf dem Bahnsteig gab es einen Lattenzaun. Dieser trennte die Bahnbenutzer von den Besuchern. Wer seine Zuggäste begleiten wollte, der musste eine Bahnsteigkarte für 20 Pfennige erwerben. Erst 1970 wurde das abgeschafft.

Zur Wendezeit hatte das Bahngelände noch 36 Weichen, eine Waggonwaage und ein Lademaß. Das Bahngelände ist durch die Ansiedelung der Industriebetriebe ab 1869 gewachsen. Der Beginn der Eisenbahnzeit hat spürbar zur Entwicklung Greußens beigetragen. Ähnlich einem heutigen ICE-Streckenbau oder Autobahnbau. Die Betriebe der Region schossen wie Pilze aus dem Boden. Wie in allen anderen ländlichen Gebieten war das größte Hemmnis zum Bahnbau die Bauernschaft. Auch kleine Orte waren gegen die tosenden Dampfrösser. Deshalb finden sich oft Bahnhaltepunkte außerhalb der Ortschaft oder wurden erst Jahre später gebaut. Oftmals wurden gesundheitliche Folgen am Menschen als Gegenargumente aufgeführt – die schnelle Fortbewegung sei schädlich.

Der große Kreuzungsbahnhof in Straußfurt war für die Stadt Greußen vorgesehen. Greußen hatte erheblich mehr wirtschaftliche Vorteile gegenüber Straußfurt. Nur eben die fehlende Weitsicht der Landeigentümer führte zu dieser Reduzierung des Bahngeländes. Weitere Baupläne gab es für die Bahnstrecke nach Kindelbrück bis hin nach Sachsenburg an die Fernstrecke Sangerhausen-Erfurt. 1906 wurde in Menteroda der erste Kalischacht geteuft. Um das Salz abtransportieren zu können, wurde 1909 die Kleinbahnstrecke nach Keula erbaut. Da der Unterbau nicht für die enormen Lasten ausgelegt war, erfolgte 1969 die Stilllegung. Die Kalitransporte erfolgten ab da über die Straßen.

Zurück zum Bahnhof Greußen. Ab wann die Bahnhofswirtschaft betrieben wurde, ist derzeit nicht bekannt. Sie endete kurz nach der Wende, so wie auch der gesamte Bahnbetrieb erheblich einbrach. Über 30 Firmen haben noch 1990 im Güterschuppen ihre Waren umgeschlagen und in die ganze Welt versendet. Viele Fuhrunternehmen aus der Region hatten reichlich zu tun, um den Gütertransport in die ländlichen Orte abzusichern. Es ist unverkennbar, der Bahnbetrieb katapultierte das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben um 1900 in eine neue Dimension. Nach der Einführung des Frühjahres- und Herbstmarktes im Jahre 1925 brachten mehrere Sonderzüge aus Nordhausen und Erfurt die Besucher zu den Märkten. Bis 1990 fuhren bis zu 2000 Menschen mit den sogenannten Arbeiterzügen nach Nordhausen, Sömmerda und Erfurt. Busanbindungen schafften die Verbindungen in das Umfeld.

Nicht unerwähnt sollen die bis zu 1200 Tonnen schweren Kieszüge bleiben, die täglich den begehrten Nordhäuser Wasserkies abfuhren. Selbst das Olympiastadion in München wurde daraus erbaut.

Als Schulkinder haben einige Greußener um 1970 mit ihren Fahrradanhängern Expressgüter in Greußen vom Güterbahnhof ausgefahren. Die Bahnpost war damals sehr erfolgreich und zuverlässig.

Auf einer Luftaufnahme vom 9. April 1945 erkennt man den Bombentreffer auf Gleis 2 am Bahnübergang beim Stellwerk Greußen Süd. Sonst hat es keine wesentlichen Unfälle im Bahnbetrieb Greußens gegeben.