Weimar. Die Schwestern von der heiligen Elisabeth feiern nach einem wechselvollen Jahrhundert in Weimar ihr Ortsjubiläum

Zu allen Zeiten wurden kranke und alte Menschen von ihren Angehörigen betreut. Ende des 18. Jahrhunderts ergab sich mit dem Fortschritt der Medizin die Notwendigkeit zur besonderen Ausbildung des Pflegepersonals. In Deutschland wurden im 19. Jahrhundert viele christliche Schwesterngemeinschaften gegründet, deren besondere Aufgabe die Kranken- und Altenpflege war.

Egal, ob evangelisch oder katholisch, widmeten sich diese unverheirateten Frauen im Geist christlicher Nächstenliebe und mit hoher Professionalität den Bedürftigen und Notleidenden. So wurde vor 150 Jahren im schlesischen Neisse (Nysa) die Gemeinschaft der Schwestern von der heiligen Elisabeth gegründet. Vor genau 100 Jahren, am 3. Oktober 1919, ließ sich eine Gruppe dieser Elisabethschwestern in Weimar nieder.

Bereits 1875 hatte Großherzogin Sophie in Weimar die evangelische Diakonissengemeinschaft der Sophienhausschwestern ins Leben gerufen. Der Bedarf an geschultem Personal war groß. In der Weimarischen Landeszeitung vom 22. August 1913 war zu lesen, dass die Sophienhausschwestern im sozialen Dienst zwar „an erster Stelle stehen und in der Gemeinde-, Kranken-, Kinder- und Armenpflege unermüdlich tätig sind“. Gleichzeitig wurde aber festgestellt, „daß es der Schwestern viel zu wenige sind, um die Fülle der Arbeit zu leisten“.

Wegen des Mangels an professionellem Pflegepersonal hatte sich schon im Jahr 1912 der katholische Pfarrer Wilhelm Breitung um die Gründung eines weiteren Schwesternkonvents in Weimar bemüht. Die Oberin der Elisabethschwestern von Halle / Saale hatte ihm im Juni 1912 zugesagt, dass drei Schwestern nach Weimar kommen könnten. Die Bedingung für eine Niederlassung in der Residenzstadt war, dass die Weimarer Pfarrei für ein Haus oder wenigstens eine Wohnung, Betten und sonstiges Mobiliar sorgen würde. Für den Lebensunterhalt der Schwestern sollte die Landesversicherungsanstalt aufkommen.

Der Erste Weltkrieg machte alle Bemühungen zunichte. Im Jahr 1918 scheiterte auch der Versuch Breitungs, Vinzentinerinnen aus Fulda zur Krankenpflege nach Weimar zu holen. So wandte sich der Weimarer Pfarrer erneut an die Elisabethschwestern in Halle. Von dort bekam er am 1. August 1919 die Nachricht, dass bereits im Herbst drei Schwestern kommen könnten – zu den gleichen Bedingungen wie 1912.

Nun musste alles sehr schnell gehen. Wilhelm Breitung hatte in der Bismarckstraße 24 (heute Schubertstraße) eine Unterkunft für den kleinen Schwesternkonvent gefunden. Am 8. September 1919 kam die Hallenser Oberin Athanasia Derda zum abschließenden Gespräch und zur Besichtigung der Örtlichkeit nach Weimar. Am 27. September 1919 wurden „die Sachen der Schwestern per Eilfracht“ in Kisten nach Weimar geschickt. Und am 3. Oktober 1919 kamen die Schwestern selbst um 10.25 Uhr am Hauptbahnhof Weimar an.

Die Chronik der Elisabethschwestern, die wegen der Farbe ihrer Ordenskleidung auch graue Schwestern genannt wurden, verzeichnet für diesen Freitag: „Der Himmel machte an diesem Tage kein freundliches Gesicht; ein feiner Regen sprühte hernieder, so dass der Einzug der Schwestern in dem herrlichen Weimar ein nicht geahntes Bild bekam.”

Die Schwestern waren enttäuscht, dass zu ihrem Empfang „nur“ Kaplan Georg Kind erschienen war – und nicht der hochwürdige Herr Pfarrer Wilhelm Breitung selbst. Vermutlich hatte jedoch der junge Kaplan Kind den Gang zum Hauptbahnhof übernommen, weil zur Abholung der Schwestern samt Gepäck „ein Wagen, wenn auch nur ein Handwagen“ nötig war. So jedenfalls hatte es die Oberin aus Halle/S. angefordert. Pfarrer Breitung sorgte sich derweil darum, dass die vorausgeschickten Einrichtungsgegenstände der Schwestern in die Bismarckstraße gebracht wurden.

Viel Geld hatten die Elisabethschwestern nicht. Zu ihrer finanziellen Unterstützung warb Pfarrer Breitung um Spenden unter den Abgeordneten der Weimarer Nationalversammlung. Mit den Reichsministern Bell, Erzberger, Giesberts und Mayer spendeten 80 Abgeordnete der Zentrumspartei, drei Abgeordnete der Deutschen Volkspartei und drei Pressevertreter im Spätsommer 1919 insgesamt 2650 Mark als Starthilfe für die Schwestern, was heute etwa 4200 Euro entspräche. Auch der Erlös aus dem Verkauf von Bildpostkarten vom „Kath. Schwesternheim Weimar“ kam dem kleinen Konvent zugute.

Schon bald erwies sich die Wohnung in der Bismarckstraße als zu klein, weil die Weimarer Elisabethschwestern nicht nur in der ambulanten Krankenpflege tätig waren, sondern auch die Notwendigkeit der stationären Alten- und Krankenpflege sahen. Die Suche nach einem größeren Haus fand im Jahr 1922 mit der Genehmigung für den Erwerb eines Grundstücks in der Moltkestraße (heute Mozartstraße) ihren Abschluss.

Ende September 1922 meldete die Landeszeitung: „Die für die Landeshauptstadt im Samariterdienste tätigen grauen Schwestern […] sind aus ihrer bisherigen Wohnung in der Bismarckstraße nach dem neuerworbenen Heim […] übergesiedelt. Daselbst ist eine Pflegestation eingerichtet worden, in der vorderhand vier bis sechs Betten zur Verfügung stehen. Im Laufe der Zeit hofft man diese Anstalt angemessen zu erweitern.“

Neben der ambulanten und stationären Alten- und Krankenpflege übernahmen die Elisabethschwestern auch den Betrieb des katholischen Kindergartens in der Lottenstraße 24 (heute Paul-Schneider-Straße).

Unruhige Zeiten brachen für die Schwestern in der Zeit des Nationalsozialismus an. Während des Zweiten Weltkrieges musste der Kindergarten geschlossen werden. In und um Weimar lebten Evakuierte aus dem Saarland und dem Ruhrgebiet. Die Geistlichen, die mit ihren Gemeindemitgliedern evakuiert wurden, fanden bei den Schwestern Unterkunft. Später waren es Flüchtlinge aus Schlesien, Ostpreußen und dem Sudetenland, denen die Schwestern zur Seite standen.

Eine kirchliche Statistik von 1948 weist aus, dass zu dieser Zeit in der Mozartstraße im Elisabethheim 38 Plätze für die Altenpflege zur Verfügung standen. Damals lebten dort zehn Schwestern, die neben der stationären auch immer noch in der ambulanten Pflege tätig waren. Der Kindergarten war bereits kurz nach Kriegsende wieder geöffnet worden, wurde bis 1965 von den Schwestern betrieben und ging dann in die Verantwortung der Kirchengemeinde über. Das große Haus in der Mozartstraße 13/15 blieb ein Ort der Pflege und Zuwendung für alte und kranke Menschen.

In den vergangenen einhundert Jahren arbeiteten die Elisabethschwestern nicht nur in der professionellen Pflege. Auch als Seelsorgerinnen wirkten sie im eigenen Haus und in der Weimarer Kirchengemeinde.

Die erste Unterkunft der Schwestern in der Schubertstraße wurde abgerissen und in den 1990er-Jahren durch einen Neubau ersetzt. In den letzten Jahren hat der Caritasverband des Bistums Erfurt sowohl die Trägerschaft für das Elisabethheim als auch für den katholischen Kindergarten übernommen.

Wie 1919, so leben auch heute drei Elisabethschwestern in Weimar. Anlässlich des 100-jährigen Ortsjubiläums wird der Erfurter Bischof Dr. Ulrich Neymeyr mit den Schwestern, ihren Gästen und der katholischen Kirchengemeinde am 3. Oktober einen Festgottesdienst in der Pfarrkirche feiern.

Festgottesdienst mit Bischof Neymeyr, 3. Oktober 2019, 10.30 Uhr, Herz-Jesu-Kirche.