Weimar. Gelungene Premiere des generationsübergreifenden Theaterprojektes von Bianca Künzel und Alexander Steindorf

„Schenkt Katharina einen gemeinsamen Moment“, empfiehlt Frieda ihrer Familie vor der Geburtstagsfeier. Wenn sich 15 Familienmitglieder im Alter zwischen 14 und 85 Jahren erstmals wieder an einem gemeinsamen Tisch versammeln, essen und feiern, wird geredet, diskutiert, erklärt, doziert. Wie in einem Brennglas fokussiert die jüngste Premiere in der ausgebuchten Studiobühne des DNT, was Jung und Alt bewegt.

Bianca Künzel und Alexander Steindorf haben „Familienfest“ mit Bürgern entwickelt und auf die Bühne gebracht. Sie spielen engagiert, mit Leidenschaft, souverän, reflektieren damit auch ein Stück weit ihr Leben oder ihnen erzähltes Leben und halten dem Publikum so einen Spiegel vor. Viel Gegenwart, viel Vergangenheit spiegelt sich darin. Zur Sprache gebracht werden Wünsche, Hoffnungen, Erwartungen, Erlebnisse, Emotionen, Politik einst und jetzt.

Die teils umfangreichen Monologe bewältigen sie mit einer solchen Bravour, dass der Zuschauer vergisst, dass vor ihm auf der Bühne Laiendarsteller agieren. Vorausgegangen war der Probenarbeit ein Stadtspiel, bei dem Bürger aufgefordert wurden, ihre Meinungen offen darzulegen. So floss viel aus der in den Gesprächen artikulierten gegenwärtigen Stimmung, der Politikverdrossenheit und Enttäuschung, Angst vor Einsamkeit und Sehnsucht nach Harmonie in das entstehende Stück ein.

Eine gedeckte Festtafel auf dem Boden, ein Keyboard, weiße Luftballons, – mehr Requisiten bedarf es nicht. Es wird geredet, gesungen, gescherzt, gelacht, diskutiert, gestritten, polarisiert wie auf jeder anderen Familienfeier, bis Rot und Blau miteinander in den Boxring steigen, angefeuert von den übrigen Familienmitgliedern. Die hoch ambitionierte Inszenierung bietet keine Lösungen an, sondern Sichtweisen, Denkanstöße, temperamentvolle wie auch anrührende Momente. Der Zuschauer wird zum Voyeur, entdeckt vielleicht manches, was ihm vertraut ist, gewinnt Einsichten, möglicherweise neue Ansichten, wie divers und damit vielleicht konstruktiv Familie sein kann. Anstöße für ein „Wir“, das „Veränderungen nicht als Problem, sondern als Möglichkeit sieht“, wie André anfangs sagt.

Eine bemerkenswerte Aufführung, die quer durch alle Generationen empfehlenswert ist. Es spielen Lisa Augustinowaski, Kathrin Carstens, Jürgen Fieber, Stine Fieber, Andreas Gelhard, Eva Grépaly, Sven Hammerschmidt, Johann Koch, Eva-Maria Köhler, Kate Ledina, Ralf Lohmüller, Sulaiman Sohrab Salem, Sina Stolp, Anastasia Turcu und David Vogel

Die nächsten Aufführungen: morgen, Mittwoch, 6. November, am 26. November, 18. Dezember und 22. Januar. Beginn jeweils um 19 Uhr. Karten an der Theaterkasse.