Weimar. Brandreste müssen weiterhin gekühlt werden. Vollsperrung und Folgeunfälle lösen Verkehrschaos aus

Die lange schwarze Rauchfahne bei Obergrunstedt war Mittwochmorgen, kurz vor sieben, weithin im Weimarer Land sichtbar. Was vor Wochen noch das Zeichen eines Feldbrandes gewesen wäre, entpuppte sich als brennender Lastzug. Von dem viel befahrenen Autobahnabschnitt wurde eine Fülle an Notrufen abgesetzt. Weil sich der Brand dort ereignete, wo die Stadt Weimar und die Gemeinde Nohra aneinandergrenzen, rückten auch Feuerwehren aus Weimar, aus dem Weimarer Land und aus Erfurt an.

Was die Notrufe den Einsatzkräften nicht sagen konnten: Der brennende Auflieger aus Polen hatte Lithium-Ionen-Batterien geladen – Akkus der Marke LG für französische Hersteller von Elektro-Autos. Der Fahrer konnte seinen Lastzug noch geistesgegenwärtig auf den Standstreifen lenken, koppelte die Zugmaschine ab und stellte sie in sicherer Entfernung ab. So kam der 43-Jährige mit dem Schrecken davon. Die Einsatzkräfte aber bemerkten erst am Brandort, welche gefährliche Fracht da in Flammen aufging.

Von brennenden Lithium-Batterien können giftige Gase freigesetzt und Knallgasexplosionen ausgelöst werden. Wird die Struktur der Akkus zerstört, setzen chemische Reaktionen den Brand immer wieder in Gang. So war es die Aufgabe der Feuerwehrleute, den Brand zu ersticken und die Batterien zu kühlen, um solche Reaktionen zu unterbinden. „Die Vollsperrung der Autobahn war deshalb unvermeidlich“, zeigte sich Kreisbrandinspektor Steffen Schirmer auch nach dem Einsatz überzeugt.

Auf den morgendlichen Berufsverkehr zwischen Jena und Erfurt hatte das verheerende Auswirkungen. Der Rückstau auf der Autobahn reichte irgendwann bis nach Magdala. Ortskundige suchten sich Schleichwege als Alternativen und waren damit natürlich nicht allein. Fahrer auf der Durchreise folgten dem Navi. Und so rollten plötzlich nicht nur durch Weimar weitaus mehr Fahrzeuge als üblich, sondern auch durch das kleine Holzdorf und Obergrunstedt. In Mellingen trafen die Navi-Geführten auf eine gesperrte Ortsdurchfahrt. Schnell war so auch die B87 zwischen Mellingen und dem Umpferstedter Kreuz von wartenden Fahrzeugen gefüllt.

Weimars Polizei leitete den Autobahnverkehr über Bad Berka zur Auffahrt Nohra.
Weimars Polizei leitete den Autobahnverkehr über Bad Berka zur Auffahrt Nohra. © Michael Baar

Die Polizei schickte den von der A4 abfließenden Verkehr in Weimar über Bad Berka zur Auffahrt Nohra. Wer aber sein Glück durch Weimar versuchte, der traf dort auf den nach einer Wasserhavarie weiterhin gesperrten Stadtring. Als später auf der B7 zwischen Weimar und Nohra ein Lkw auf einen Pkw auffuhr, war auch noch die Bundesstraße blockiert. Das verschärfte die Situation in und um Weimar. Auf der Umgehungsstraße staute sich der Verkehr kilometerweit bis zum Abzweig Gaberndorf. Die Fahrzeuge, die von Mellingen aus nördlich der Autobahn den Weg nach Westen gesucht hatten, standen zeitweise quer durch Weimar.

Gut 30 Minuten brauchte eine Streifenwagenbesatzung, sich bis zum Ort des Auffahrunfalls durchzukämpfen. Dort reagierten die Beamten deshalb auch resolut: Runter von der Straße mit den Unfall-Fahrzeugen! Das Rentnerpaar aus dem Pkw hatte das bis dahin abgelehnt und wollte auch keinen Sani, obwohl sie über Übelkeit klagte. Er hoffte auf eine versicherungsfeste Unfallaufnahme durch die Polizei. – „Grundfalsch in so einem Fall“, sagte der Polizeihauptmeister deutlich und schob den Pkw mit seinem Kollegen zur Seite, damit der Verkehr wieder fließen konnte.

Auf der weiter gesperrten Autobahn übersah am Mittag schließlich ein Lkw-Fahrer bei Mellingen des Stauende und fuhr ungebremst auf einen anderen Lastzug auf. Der Verursacher (44) wurde im Fahrerhaus eingeklemmt und konnte erst nach 40 Minuten von der Feuerwehr befreit werden. Er wurde schwerstverletzt ins Klinikum nach Jena geflogen.

Zehn Kilometer westwärts kämpften auf der Autobahn Feuerwehrleute und Mitarbeiter vom Containerdienst Pfaffe mit den heißen Resten der Ladung. Sie wurden bis in den Nachmittag unter permanenter Kühlung mit Löschwasser in Container verladen und zum einstigen Schlachthof in Nohra gebracht. Dort stehen sie auf der ehemaligen Lkw-Dekontaminationsstrecke. Die Freiwilligen Feuerwehren von Obergrunstedt, Ulla, Nohra und Utzberg überwachen sie per Wärmebildkamera und sollen die Container noch zwei Tage lang kühlen, bis der Inhalt als Sondermüll entsorgt werden kann.

Erst nach 15 Uhr wurde die Autobahn wieder komplett freigegeben. Neun Stunden nach dem Brand hatte sich auch der Stau aufgelöst.