Weimar. Ute Lemper begeistertet die Zuschauer im Weimarer Spiegelzelt mit einer grandiosen Vorstellung von ihrem „Rendezvous mit Marlene“ und wird vom Publikum mit Standing Ovations geehrt.

Mit ihrer Schönheit, ihrer erotischen Ausstrahlung und ihrer Unabhängigkeit hat sie die halbe Welt um den Finger gewickelt: Marlene Dietrich, ein Mythos, „femme fatale“ mit einem Hauch Berliner Gör. Eine Hommage an eine Ikone dieses Ausmaßes ist schwer.

Die Dietrich mit ihren eigenen Liedern, ihren einzigartigen Allüren zu würdigen, dazu gehören professionelles Handwerk, Schauspieltalent und großer Mut. Ute Lemper bündelt alles zusammen und lässt die begeisterten Zuschauer im Weimarer Spiegelzelt an ihrem „Rendezvous mit Marlene“ teilhaben.

Im schwarzen hochgeschlitzten Kleid mit weißer Nerzstola singt Ute Lemper dreisprachig tief und herb gegen Krieg, Nationalsozialismus, Arroganz und Dummheit, „Sag mir, wo die Blumen sind“. Lemper spielt die Dietrich, das Vernuschelte, die kühle Pose, die Verführung. Marlene, die träumt und trinkt und nachts an der Bar ihren Schmerz stillt, „One For My Baby“.

Getroffen haben sich die beiden Frauen nicht. Der Abend basiert auf einem Telefonanruf. 1988 rief die damals 87jährige Dietrich, die zurückgezogen in der Pariser Avenue Montaigne lebte, die junge Lemper an. Die Presse betitelte die aufstrebende Schauspielerin und Sängerin damals als „la nouvelle Marlene“, wofür sich Lemper per Brief bei der Dietrich entschuldigte. Die reagierte. Das Gespräch dauerte drei Stunden, Erinnerungen einer einsamen Frau im selbstgewählten Exil, die noch immer scharfsinnig Position bezieht.

Lemper, durch Rollen in Broadway-Musicals wie Cabaret und Chicago zum Star geworden, erzählt vom Leben der Dietrich, ihren Affären und Leidenschaften, bedient das Erwartete. Einschneidende Lebensabschnitte verbindet sie mit bedeutenden Songs, besingt die Fesche Lola, liefert Filmmusik wie „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ oder „The Boys in the Backroom“, erinnert sich an den Krieg mit Holländers Ruinen und Lili Marleen, beschwört ihre Affäre mit Edith Piaf, „Que reste-t-il de nos amours“, trauert um die „Liebe ihres Lebens“ Jean Gabin mit Brels „Ne Me Quitte Pas“ und lässt auch das zerrüttete Verhältnis zu ihrer Tochter Marie nicht unerwähnt.

Lemper imitiert die Dietrich, übernimmt ihre Allüren, die Pose, der schiefe Mund, gibt den Liedern aber ihre eigene Stimme, die vereinzelt in berauschende Jazzimprovisationen hochschießt und der Stimme Marlene Dietrichs weit überlegen ist. Lemper legt ihre Gefühle in die Lieder, Ausdruck, Kraft, Glanz, und lässt bald erkennen, welch virtuose Sängerin sie ist, unterstützt von vier hervorragenden Musikern.

Marlenes Schmerz und Verzweiflung angesichts des Hasses, der ihr aus Deutschland entgegenschlug, ihren glühenden Antifaschismus, den sie als Truppenbetreuerin im US-Militär aufarbeitete, schiebt Lemper mit schlüpfrigen Bemerkungen über die weicheren Matratzen der Generäle beiseite. Hinter die Schutzwände des Hollywoodstars blickt sie nicht, aber wer kann das schon. Der Mythos Marlene Dietrich ist unbezwingbar.

Lemper verneigt sich vor dieser extravaganten Frau, die von den 30er bis in die 60er Jahre hinein im Kino, Kabarett und Theater ihre Blütezeit hatte. Sie beweist aber vor allem ihre eigene Präsenz. Ute Lemper bleibt sie selbst auf der Bühne, und diese Vorstellung ist grandios, vom Weimarer Publikum mit Standing Ovations geehrt.