Wolfgang Tiefensee hat angekündigt, sich aus der Thüringer SPD zurückzuziehen. Die Probleme werden für die Partei dadurch nicht geringer. Der Chefredakteursnewsletter vom Freitag.

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Rückblick

Wolfgang Tiefensee kündigt seinen Rückzug aus der Politik an - Respekt

Wolfgang Tiefensee
Wolfgang Tiefensee © dpa

Der gestrige Tag endete überraschend mit einer Spitzenpersonalie. Wolfgang Tiefensee hat angekündigt, sich aus der Thüringer SPD zurückzuziehen, im November bei der Neuwahl der Parteispitze nicht erneut zu kandidieren und auch nicht als Spitzenkandidat für die im April angesetzte Landtagswahl zur Verfügung zu stehen. Dies begründete er vor allem mit seinem Alter.

Schon jetzt anzukündigen, dass er ab November nicht mehr zur Verfügung steht, nötigt Respekt ab. So gibt er seiner Partei die Gelegenheit, mit genügend Vorlauf wichtige Personalfragen zu klären.

Die Probleme allerdings werden für die SPD nicht geringer. Denn mit Wolfgang Tiefensee tritt der SPD-Politiker ab, der in Thüringen mit Abstand die höchsten Bekanntheitswerte und Popularitätswerte in der Bevölkerung genießt. Kein anderer aus der Partei kommt auch nur ansatzweise an seine Werte heran.

Allerdings, das muss man auch dazu sagen, konnten Tiefensee und die SPD bei der vergangenen Wahl davon nicht profitieren. Zwar ging er als Spitzenkandidat ins Rennen. Der Wahlkampf insgesamt aber war eher unmutig. In ihren Themen unterschied sich die SPD nicht gravierend von denen der anderen. Und was Tiefensee fast mantraartig wiederholte war, dass das große Ziel der SPD sei, Rot-Rot-Grün fortzusetzen. Ein echtes Alleinstellungsmerkmal fehlte.

Unmutig schreibe ich deshalb, weil sich Tiefensee eben nur als Spitzenkandidat hat aufstellen lassen und nicht als Ministerpräsidentenkandidat. Einerseits war es aufgrund der geringen Umfragewerte sicherlich nachvollziehbar und hätte auch als vermessen wahrgenommen werden können.

Allerdings war das zugleich eine Kapitulation vor Bodo Ramelow und das Eingeständnis, nur als Juniorpartner für wen auch immer zu gelten. Mutig wäre es gewesen, Tiefensee als Thüringer mit ausgewiesener Expertise auf Landes- und Bundesebene für das Amt des Ministerpräsidenten in Stellung zu bringen. Das Signal wäre gewesen: Hier will jemand kämpfen. Etwas sarkastisch könnte man sagen, wir hatten ja auch einen Ministerpräsidenten, wenn auch nur kurz, dessen Partei noch schlechtere Umfragewerte hatte.

Noch steht er seiner Partei zur Verfügung. Deshalb ist es zu früh für einen Abschied. Fest steht jetzt aber schon, dass die SPD mit ihm einen besonnen, fair und charismatisch auftretenden Politiker verlieren wird.

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Die Nachfolge von Mike Mohring als Landesvorsitzender ist längst nicht geklärt. Es herrscht ein Führungsvakuum, schreibt mein Kollege Martin Debes.

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Der Anblick macht einen sprachlos. Dort, wo sich früher ein sattgrünes Blätterdach über eine weite Fläche erstreckte, ist dieses nun durch graue Baumskelette löchrig geworden.

Die Trockenheit macht aber nicht nur massenhaft Fichten anfällig für Schädlinge wie den Borkenkäfer. Auch Buchen sind in großem Ausmaß von fehlender Feuchtigkeit betroffen.

Tiefrot sind viele Gebiete Thüringens im Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung eingefärbt. In der Legende wird dazu vermerkt: außergewöhnliche Dürre.

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Ich wünschen Ihnen schöne Pfingsten. Der nächste Newsletter erscheint am 2. Juni.

Ihr Jan Hollitzer
Chefredakteur
Thüringer Allgemeine

Schreiben Sie mir: j.hollitzer@thueringer-allgemeine.de