Leipzig. Bei seinem Amtsantritt in Leipzig verkündete Nagelsmann forsch, er wolle “etwas Blechernes holen“. Nun plötzlich gibt sich der letzte Bayern-Jäger eher zurückhaltend. FCB-Coach Flick ist das egal.

Der Meisterjäger Nummer eins ist kleinlaut geworden. Die Gier nach einem Titel ist bei RB Leipzig nach wie vor groß, doch reden will darüber plötzlich keiner mehr.

"Es macht keinen Sinn, unser Saisonziel Champions-League-Qualifikation über Bord zu werfen und zu sagen, wir greifen die Bayern an", sagte Vorstandschef Oliver Mintzlaff im ZDF-Morgenmagazin. Die leisen Töne scheinen offensichtlich die neue Strategie des ambitionierten Fußball-Bundesligisten zu sein, der als Zweiter zwischenzeitlich sieben Punkte Rückstand auf Bayern München hatte und vor dem 23. Spieltag nur noch zwei Punkte hinter dem Rekordmeister liegt.

Denn auch Cheftrainer Julian Nagelsmann, sonst immer ein Freund offensiver Aussagen, gab sich vor dem Spitzenspiel an diesem Samstag gegen Borussia Mönchengladbach (18.30 Uhr/Sky) ungewohnt defensiv. "Wir halten uns bedeckt, wollen unsere Spiele gewinnen, die Konstanz reinkriegen und nicht zu viel drumherum palavern", betonte Nagelsmann, der zum Amtsantritt in Leipzig 2019 noch tönte: "Es wäre aber schön, auch mal etwas Blechernes zu holen, etwas aus Metall, Gold oder Silber. Ich will nicht nur Spiele, sondern auch Größeres gewinnen."

Mit der Meisterschaftschance für Leipzig, das im Pokal noch eine weitere Möglichkeit hat, wollte sich Bayern-Trainer Hansi Flick vor dem Spiel gegen den 1. FC Köln nicht großartig befassen. "Wir sind zwei Punkte vorne, und alles andere interessiert mich aktuell nicht", sagte der 56-Jährige. Man habe selbst zuletzt erfahren, wie schnell ein Vorsprung schrumpfen könne. "Wir müssen konzentriert und selbstbewusst bleiben - unsere Spiele gewinnen und auf uns schauen." Sein Team ist im Pokal nicht mehr dabei.

In der Meisterschaft hinterließen die Rückschläge bei Leipzig im Titelrennen dieser Saison offenbar Spuren. Oder war es Lehrgeld? Nagelsmann hat die Schlagzeilen von vor drei Wochen, "wo wir noch sieben Punkte Rückstand hatten und zu lesen war: Versager oder Bayern-Jäger-Versager oder Tristesse" nicht vergessen. "Jetzt sind wir relativ nahe dran und werden wieder gehypt. Wir haben das klassische Wellental durchschritten und jetzt sind wieder oben - Achtung ich zitiere mich selbst: 'wieder am Gipfelkreuz'", meinte er schmunzelnd. Sein neues Credo lautet: Konstanz. "Der Meisterkampf in dem Sinne als Wort ist kein Thema bei uns", beteuerte der 33-Jährige.

Bereits im Oktober 2020 bestand schon einmal die Chance, an den Bayern vorbeizuziehen. Doch das verhinderte ausgerechnet Gladbach durch einen Treffer des damals noch ausgeliehenen RB-Spielers Hannes Wolf mit einem 1:0-Sieg. Auch beim bislang letzten Auftritt der Gladbacher in der Heimatstadt ihres Noch-Trainers Marco Rose, der im Sommer zu Borussia Dortmund wechselt, schaffte RB nur ein 2:2.

Patzt Bayern am Samstagnachmittag gegen Köln, könnte RB am Abend wie zuletzt am fünften Spieltag die Tabellenführung übernehmen. Nach dem vierten Bundesliga-Sieg in Serie hatte Kapitän Marcel Sabitzer nach dem Hertha-Spiel noch zur Aufholjagd geblasen: "Es hilft nicht, immer darüber zu reden. Wir müssen dranbleiben, sonst kann ich nächste Woche wieder was ganz anderes erzählen - und dann lachen uns wieder alle aus." Er wolle mit seinem Team "fokussiert bleiben, dann kann es bis zum Ende ein spannender Kampf werden".

Aufgrund der Vorzeichen und Vorbelastungen in der Champions League für die Gladbacher spricht viel für RB. Die Borussen warten jetzt seit vier Pflichtspielen auf einen Sieg. "Wir brauchen jetzt unseren ganzen Kader, müssen die Sinne schärfen, zusammenstehen, an uns glauben und gut arbeiten", sagte Rose, der seine erste große Durststrecke mit den Fohlen hat. Nagelsmann will sich aber nicht blenden lassen: "Ich glaube, dass Gladbach mit seinem Trainer und den Spielern Vollgas geben wird."

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