Dortmund. Seine defensive Ausrichtung bewies, welch großen Respekt er vor Borussia Dortmund hatte. Weil die Taktik beim Ex-Club nicht aufging, wird es für Thomas Tuchel bei Paris Saint-Germain nun ungemütlich. Die Kritik eines seiner Lieblingsspieler dürfte den Frust verstärken.

Neymar war sauer. Eine an Lustlosigkeit und Arroganz grenzende Leistung hatte der Superstar geboten. Hatte gezetert, lamentiert und geschauspielert und trotz eines Tores nur wenig Fußball gespielt. Schuld waren aber natürlich andere.

Der Verein, die Mediziner - und offenbar auch Trainer Thomas Tuchel. Der sprach nach dem 1:2 mit Paris Saint-Germain bei seinem Ex-Club Borussia Dortmund über den fehlenden Rhythmus des Brasilianers. Irgendwie sei Neymar "ein Stein im Getriebe" gewesen, sagte Tuchel. Quasi zeitgleich gab Neymar Interviews - mit durchaus brisantem und pikantem Inhalt.

Neymar gilt eigentlich als ein Lieblingsspieler Tuchels, der ihn auch in Interviews fast liebevoll "Ney" nennt. Mitspieler beklagen angebliche Sonderrechte des Exzentrikers, der kürzlich noch rosafarbene Haare hatte und in Dortmund plötzlich mit Glatze auflief. Diese gegenseitige Zuneigung dürfte nun auf eine harte Probe gestellt werden.

Neymar argumentierte im brasilianischen Fernsehen, er hätte nach seiner Rippenprellung schon früher spielen können: "Aber die Ärzte, der Club haben anders entschieden." Eine Rückkehr sei "verschoben, wieder verschoben und erneut verschoben" worden. Das habe ihm "überhaupt nicht gefallen" und sei "schlecht für mich und für die Mannschaft". Die Nachricht über den emotionalen Ausbruch Neymars dürfte Tuchel am Dienstag endgültig die Laune verdorben haben. Wie auch die, dass ihn laut "Le Figaro" der Bruder von Abwehrspieler Presnel Kimpembe in einem Instagram-Video übel beleidigt haben soll.

Emotional schwierig und sportlich missglückt, so musste letztlich Tuchels Fazit des Achtelfinal-Hinspiels in der Champions League lauten. Vertrautheit war jedenfalls wenig zu spüren bei seiner Rückkehr nach Dortmund. Schon der Empfang war maximal gleichgültig ausgefallen, als Stadionsprecher Norbert Dickel nach Verlesung der Pariser Aufstellung einfach anhing: "Trainer ist Thomas Tuchel."

Kein Willkommensgruß, keine netten Worte, nichts. Im Stadion nur ein Jux-Plakat mit der Aufschrift: "Thomas, ich möchte dein Kaugummi haben." Ansonsten gab es auch von den Fans weder Applaus noch Pfiffe. So, als sei Thomas Tuchel nie in Dortmund gewesen.

Seine beiden erfolgreichen Jahre waren im Unfrieden geendet und ausbleibende Schmähungen waren das Maximale, was die BVB-Fans ihrem Ex-Coach anbieten wollten. Sein alter BVB-Widersacher, Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, feixte nach dem Dortmunder Sieg schließlich, für PSG werde "eine Welt zusammenbrechen, wenn sie wieder ausscheiden". Es wirkte nicht, als würde ihm Tuchel dann irgendwie leid tun.

Watzke hatte Tuchel direkt nach Dortmunds bis heute letztem Titel im DFB-Pokal beurlaubt. Und nach dieser Niederlage vom Dienstag droht dem 46-Jährigen spätestens am Saisonende in Paris dasselbe Schicksal. Die Vereins-Besitzer aus Katar erwarten mindestens den Einzug ins Halbfinale, ein Aus im Achtelfinale wie in Tuchels erstem Jahr wäre wohl nicht akzeptabel. Hinzu kamen viele kritische Fragen wegen Tuchels Defensiv-Taktik.

"Derjenige, der Entscheidungen vorher treffen muss, heißt Trainer. Die, die danach darüber urteilen, heißen Experten oder Journalisten", antwortete Tuchel sichtlich gereizt: "Nachher ist es leicht, zu sagen, es sei ein Fehler gewesen. Ich muss vorher entscheiden. Und ich hatte gute Gründe." So oder so: Vor dem Rückspiel am 11. März gilt für Tuchel die Titel-Schlagzeile der "L'Equipe" vom Mittwoch als Motto: "Mit dem Rücken zur Wand."