Axel Lukacsek über einen Bobfahrer als Bergziege, Mutterglück und Golf spielende Kombinierer.

Das Ziel liegt an einer schmucklosen Straße, 1860 Meter über dem Meeresspiegel. Aber für die Radsportler dieser Welt ist es ein Wallfahrtsort. Für Thorsten Margis war es das Ziel seiner Träume. Es ist der Beweis, dass Deutschlands Wintersportler manchmal auch im Sommer ein ziemlich turbulentes Leben führen.

Irgendwann im Juni hat sich der Bob-Olympiasieger aus Halle an der Saale hinaufgeschleppt nach Alpe d’Huez – auf dem Rennrad. Nun muss man wissen, dass der 30 Jahre alte Hüne ziemlich schnell sein kann. Im Schlitten von Pilot Francesco Friedrich schafft er schon mal Tempo 150, bergab versteht sich. Aber nun musste er seine als Bob-Anschieber idealen 107 Kilogramm – verteilt auf 1,91 Meter Körpergröße – irgendwie nach oben transportieren.

Margis aber war selbst schuld. Er hatte vor zwei Jahren am heimischen Fernseher den Etappensieg von Alpe d’Huez des späteren Gesamtsiegers Geraint Thomas in Augenschein genommen und sich zu einer Wette mit seiner Frau Inken hinreißen lassen: „Da würde ich auch hochkommen.“

Der einstige Zehnkämpfer, der vor fast zehn Jahren in Oberhof mit dem Bobsport begann, ließ sich etwas einfallen. Er rief bei Miriam Welte (33) an. Die frühere Bahnradsprinterin aus Kaiserslautern gab Tipps und war selbst auch etwas unvorsichtig. Denn die Olympiasiegerin kündigte an, mit ihrem Mann Oliver Schäfer (51) die Tortur mit auf sich zu nehmen. Aber ihr Lebensgefährte ist ja das Paradebeispiel dafür, scheinbar unmögliche Dinge zu schaffen. Als Fußball-Profi holte er 1998 mit dem 1. FC Kaiserslautern die Meisterschaft. Dabei war der Klub mit Trainer Otto Rehhagel gerade erst aus der zweiten Liga aufgestiegen.

Jenes ungewöhnliche Trio war dafür prädestiniert, Berge zu versetzen. Und sei es den von Alpe d’Huez. Nach 21 Kehren, 1130 Höhenmetern sowie einer Fahrzeit von einer Stunde und 32 Minuten kamen sie oben an. Gipfelstürmer Margis schaffte es ohne abzusteigen und hatte so die Wette mit seiner Frau gewonnen: „Es ging um die Ehre und eine Kugel Eis.“

Dajana Eitberger hat ihren Horizont auf ganz andere Weise erweitert. Für sie begann sogar ein neuer Lebensabschnitt. Die Rennrodlerin aus Ilmenau ist nämlich Mama geworden. Und der kleine Levi, der am 21. Februar das Licht der Welt erblickte, hat den Alltag der olympischen Silbermedaillengewinnerin in völlig neue Bahnen gelenkt. Mit jedem Wachstumsschub, so erzählte es Eitberger im Sommer, ändere sich auch der Tagesrhythmus der kleinen Familie. Mit ihrem Freund Christopher Mayer ist die Thüringerin aber längst ein eingespieltes Team. Weil die 29-Jährige inzwischen in den Rodel-Alltag zurückgekehrt ist, übernimmt der Papa die Hauptrolle zu Hause. Der kleine Levi lässt sich von ihm verwöhnen und fühlt sich geborgen.

Für Eric Frenzel ist die Familie längst der Ruhepol abseits des manchmal turbulenten Winters. Schon mit 18 ist der heute 31-Jährige zum ersten Mal Vater geworden. Der dreifache Olympiasieger in der Nordischen Kombination genießt es, wenn er zu Hause im oberpfälzischen Flossenbürg mit seinen drei Kindern Philipp (12), Leopold (4) und Emma (3) spielen kann.

Sportlich ist der gebürtige Sachse für fast jede Herausforderung zu haben. Auch ohne Loipe der Schanzen. Der Sommer bot die nächste Gelegenheit dazu. Auf dem Weg zum Sprungtraining im österreichischen Eisenerz legte die Nationalmannschaft der nordischen Kombinierer einen Zwischenstopp in Murhof etwa 25 Kilometer nördlich von Graz ein – zum Golfspielen.

Sein Handicap? „Ich selbst“, antwortete der bodenständig gebliebene Star der Kombinierer – und grinste. Für den Skisprung-Trainer der Winter-Zweikämpfer, Heinz Kuttin, hatte der ungewöhnliche Abstecher durchaus einen ernsten Hintergrund. „Im Golf gibt es viele Ähnlichkeiten zum Skispringen. Wie etwa Stabilität in der Technik aufzubauen oder mental loslassen zu können.“

Welchem Athleten das im Sommer am besten gelingt, dem wachsen dann auch im Winter Flügel. So, wie es Thorsten Margis, Dajana Eitberger und Eric Frenzel ja schon gelungen ist.