Sotschi. Im Trennungsjahr bei Ferrari hat Sebastian Vettel wenig Grund zum Feiern. Auch seinen 250. Grand-Prix-Start sieht der Hesse ziemlich nüchtern. Hoffnung auf einen Aufschwung in der zweiten Saisonhälfte hat Vettel nicht.

Für seinen 250. Start in der Formel 1 hat Sebastian Vettel nur einen bescheidenen Wunsch. "Hoffentlich wieder ein besseres Fahrgefühl" in seinem lahmenden Ferrari ersehnt der 33-Jährige für sein Jubiläum am Sonntag beim Großen Preis von Russland.

Die Ansprüche des viermaligen Weltmeisters sind in dieser jetzt schon verkorksten Saison ziemlich klein geworden. "Man kann in den nächsten Rennen keine Wunder mehr erwarten", sagte Vettel beim Training in Sotschi. Platz zehn lieferte dem Hessen die ungewollte Bestätigung seiner Diagnose.

Tagesschnellster war Valtteri Bottas. Der Finne ließ WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton im zweiten Mercedes und Renault-Pilot Daniel Ricciardo hinter sich. Weltmeister Hamilton erwischte mit einigen Verbremsern keinen optimalen Start in das Grand-Prix-Wochenende, an dem er mit seinem 91. Sieg die Bestmarke von Michael Schumacher einstellen könnte. Dennoch war der Brite 1,4 Sekunden schneller als Vettel.

In die kleinen Verbesserungen der Aerodynamik am zuletzt fast unfahrbaren Ferrari setzt Vettel keine großen Erwartungen. "Bei der Rundenzeit versprechen wir uns nicht so viel", sagte Vettel dem TV-Sender Sky. Für die Scuderia und den zum Jahresende ausgemusterten Deutschen geht es in der zweiten Saisonhälfte nur noch um eine möglichst unfallfreie Trennung mit Anstand. "Wenn ich nur etwas weiter vorn in der Startaufstellung stehen würde, wäre es leichter, weniger komplizierte Rennen zu haben", sagte Vettel.

Immerhin muss sich der Heppenheimer nicht mehr mit den Fragen nach seiner Zukunft quälen, seit er den Wechsel zum künftigen Werksteam von Aston Martin verkündet hat. "Die letzten Rennen waren intensiv mit vielen Gedanken in meinem Kopf", bekannte Vettel. Bei seinem neuen Arbeitgeber, derzeit noch als Racing Point unterwegs, will Vettel dann auch endlich wieder um Siege mitfahren, die ihm einst so leicht von der Hand gingen.

Nachdem er 2007 sein Formel-1-Debüt im BMW-Sauber gegeben hatte und ein Jahr später den unterlegenen Toro Rosso im Regen von Monza auf Platz eins gesteuert hatte, avancierte Vettel 2010 im Red Bull zum bis heute jüngsten Weltmeister der Königsklasse. Drei weitere WM-Titel folgten, gekrönt von einer Rekordserie von neun Siegen am Ende der Saison 2013. Vettel schien mit 26 auf dem besten Weg, sein Vorbild Michael Schumacher zu überflügeln.

Seither aber jagt er vergeblich dem fünften WM-Triumph hinterher. Die Sehnsucht, wie einst Schumacher im Ferrari Held und Weltmeister zu werden, erfüllte sich in sechs Jahren bei der Scuderia nicht. Dass er mitten in der Corona-Pause kühl über das Ende der Zusammenarbeit informiert wurde, enttäuschte Vettel schwer.

Ziemlich nüchtern geht Vettel daher auch mit diesem 250. Start in der Formel 1 um. "Wie viele Leute wissen, interessieren mich Zahlen nicht so sehr", sagte er. Nur neun Fahrer haben in der Geschichte mehr Grand Prix absolviert. Zwei davon, die Italiener Jarno Trulli (252) und Riccardo Patrese (256), kann Vettel noch dieses Jahr überholen. Viel lieber aber würde er schon bald wieder seine aktuelle Konkurrenz auf der Strecke hinter sich lassen.

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