Bonn. Die Staatsanwalt will das Doping-Netzwerk um den Erfurter Arzt Mark Schmidt bis Jahresende anklagen.

Wussten Sie, dass man Doping anhand der Größe der Einstichstelle oder der Konzentration von Mikroplastik im Blut erkennen kann. Solche und andere spannende Details der Dopingjagd wurden Journalisten beim Workshop der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) in Bonn erklärt.

„Für die Transfusionen werden größere Nadeln als bei Impfspritzen verwendet“, sagt Stefan Trinks mitverantwortlich für das Kontrollsystem bei der Nada. Allerdings müssen die Sportler ihren Körper nicht entblößen. Der manchmal blau gefärbte „Transfusionsarm“ werde oft bedeckt, so Trinks. Werden PVC-haltige Blutbeutel zum Doping verwendet, könne man schon ein paar Stunden später über längere Zeit erkennen, ob ein Austausch stattfand.

Die Fahnder sind den Betrügern also auf der Spur. Wie leicht es gegenwärtig noch ist, das System zu umgehen beschrieb Kai Gräber von der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Sport aus München aus den Erfahrungen der Operation „Aderlass“. „Es musste kein hoher medizinischer Aufwand getätigt werden, um die Dopingkontrollen zu flankieren. Ein bisschen Salz und Wasser eingesetzt -- und schon waren die Leute wieder normal“.

Bis Ende des Jahres soll „das gesamte deutsche Netzwerk“ angeklagt werden

Bei spektakulären Razzia „Aderlass“ war vor acht Monaten das mutmaßliche Doping-Netzwerk des Erfurter Arztes Mark S. bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld aufgeflogen. Bis Ende des Jahres soll „das gesamte deutsche Netzwerk“ angeklagt werden. „Wir befinden uns bei den Ermittlungen auf der Zielgerade“, erklärte Gräber. Unter den Beschuldigten befinden sich neben dem Erfurter Mediziner auch sein Vater und eine Krankenschwester.

Inzwischen wurden alle in der Erfurter Praxis gefundenen Blutbeutel nach eindeutigen Tests den Athleten zugeordnet. „Es gab dabei keine Überraschungen. Die Kürzel stimmten mit den Sportlern überein“, so Gräber, der erst im Dezember weitere Details bekannt geben will. Bisher ist bekannt, dass gegen 21 Sportler aus acht Nationen, darunter Deutschland und Österreich Untersuchungen laufen.

In Österreich sind die Verfahren gegen fast alle überführten Sportler und Betreuer bereits abgeschlossen. Zuletzt wurde der Langlauf -Trainer Walter Mayer festgenommen. In dieser Woche erhielt der geständige Skilangläufer Max Hauke, der mit der Spritze im Arm bei der WM in Seefeld im Hotelzimmer „das hässliche Bild des Dopings“ (Gräber) zeigte, fünf Monate Gefängnis auf Bewährung.

Erfurter Fall nur die Spitze eines Doping-Eisberges

Zu Unrecht erlangte Preisgelder und Sponsorenleistungen von über 50.000 Euro habe er teilweise zurückgezahlt. Für die Behandlung mit Eigenblut hatte Hauke 10.000 Euro pro Saison an den Erfurter Arzt gezahlt. Haukes Teamkollege Johannes Dürr hatte „Aderlass“ mit einem Geständnis in der ARD ins Rollen gebracht.

Dass die Verfahrenseröffnung in Deutschland länger dauert als beim Nachbarn, erklärte Oberstaatsanwalt Gräber so: „Es ist einfacher, einzelne Athleten zu bestrafen, als die Hintermänner zur Anzeige zu bringen.“ Dass es der Erfurter Fall nur die Spitze eines Doping-Eisberges sei, will Gräber nicht ausschließen. „Es ist zwar Spekulation, aber dass es in Deutschland keine weiteren Netzwerke gibt, wäre blauäugig.“

Die Operation „Aderlass“ werten alle Beteiligten inzwischen als Vorbild für die Zukunft der Dopingbekämpfung. „Das war eine herausragende Zusammenarbeit, wie innerhalb kürzester Zeit die nötigen Beschlüsse erlangt wurden“, so Gräber.

Die Nada-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann sieht den Erfolg im Anti-Dopingkampf im Zusammenwirken von Sport- und Strafrecht „wie bei Aderlass fast mustergültig geschehen.“ Das wirksame deutsche Anti-Doping-Gesetz solle durch eine Kronzeugenregelung ergänzt werden, forderte Gotzmann. Dem Sportausschuss des Bundestages sollen Experten bis zum Herbst kommenden Jahres bei der Ausarbeitung helfen.

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