Tianjin. Außenministerin Baerbock besucht zum Start ihrer China-Reise einen Windturbinen-Hersteller. Dort zeigt sich, warum China schneller ist.

Der blauuniformierte Sicherheitsbeamte salutiert mit militärischem Gruß. Schwarze Limousinen passieren am Eingangstor vorbei. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) besucht das deutsche Unternehmen Flender, das am Rand der Millionenstadt Tianjin in Nordchina Getriebe für Windturbinen herstellt. Auf dem großflächigen Areal stehen langgestreckte und hochgebaute Hallen mit gelben Kränen, die bis unter die Decke reichen. Es ist die erste Station von Baerbocks knapp dreitägiger Visite nach China.

Geschäftsführer Jianhui Gou, der in Braunschweig studiert hat, begrüßt die Ministerin in tadellosem Deutsch. Ein deutscher Top-Manager erklärt den komplizierten Aufbau der 45 Tonnen schweren Getriebe. Die Firma produziere zu fast 100 Prozent für den chinesischen Markt. Die chinesischen Hersteller exportierten dann die fertigen Windturbinen nach Australien, Lateinamerika und andere Teile der Welt.

Als Baerbock ihn fragt, ob der Wettbewerb mit den chinesischen Unternehmen hart sei, antwortet der Manager: „Ja. Wir kämpfen mit den anderen.“ Gleichzeitig schwärmt er von den niedrigen Fertigungskosten in China, den bereitwillig geleisteten Schichten am Wochenende und den ultra-schnellen Genehmigungsverfahren. „Zwischen einer Bieteranfrage und der Aufstellung dauert es gerade mal ein halbes Jahr.“ Baerbock lächelt. „Wir sind gerade dabei, die Zeit bei uns zu halbieren“, fügt sie hinzu.

Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) besichtigt mit Jianhui Gou (l), Geschäftsführer der Flender GmbH, das Werk im chinesischen Tianjin.
Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) besichtigt mit Jianhui Gou (l), Geschäftsführer der Flender GmbH, das Werk im chinesischen Tianjin. © dpa | Soeren Stache

Energie: China hat Deutschland bei den Erneuerbaren überrundet

Die deutsche Chefdiplomatin will auf ihrer Reise in China ausloten, inwieweit sich die hiesige Wirtschaft nach harten Corona-Lockdown-Perioden öffnet. Und ob die Volksrepublik und Deutschland die Entwicklung erneuerbarer Energien vorantreiben können – im gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel.

Das Problem: China hat den einstigen Pionier der Erneuerbaren, Deutschland, längst überrundet. Die chinesischen Hersteller beherrschen rund 80 Prozent des Marktes in der Volksrepublik. Vor knapp 20 Jahren hat die europäische Windindustrie noch den globalen Markt dominiert und auch in China den Ton angegeben. Heute kommt dort kaum noch eine Firma aus dem Ausland zum Zug. Mehr als die Hälfte aller 2021 weltweit neu gebauten Windräder wurden in China errichtet.

Chinesischer Staat fördert Windenergie massiv

Dabei hat der Staat mächtig nachgeholfen: durch einen günstigen Einspeisetarif, kostenloses Land und die Halbierung der Mehrwertsteuer von 17 auf 8,5 Prozent für Windstrom. Hinzu kommt, dass es bisher auch keinen Mangel an geeigneten Standorten gibt. Auch Beschwerden über Lärm oder Vogelschutz bremsen den Fortschritt bei der Windenergie nicht ab.

Mit deutschen und chinesischen Fahnen warteten Angestellte von Flender vor dem Werk auf Außenministerin Annalena Baerbock.
Mit deutschen und chinesischen Fahnen warteten Angestellte von Flender vor dem Werk auf Außenministerin Annalena Baerbock. © dpa | Soeren Stache

Das weckt düstere Erinnerungen und könnte ein Déjà-vu auslösen. Deutschland war in den Nullerjahren Vorreiter in den Sonnenenergie. Es produzierte mehr Solarzellen als jede andere Land der Welt. Wirtschaftsminister wie Peter Altmaier (CDU) kürzten die lukrative Förderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Den Solarmarkt beherrschen heute die mit üppigen Staatsgeldern subventionierten Firmen aus China.

Bei so viel beinhartem Konkurrenzkampf will Baerbock zumindest versöhnliche Akzente setzen. Als sie das Flender-Werk verlässt, steht eine Gruppe von Angestellten in grauen Jacken und schwenken deutsche und chinesische Fähnchen. Baerbock läuft auf zwei Männer zu und fragt sie auf Englisch, welchen Beruf sie hätten. „Wir sind beide Ingenieure. Welcome!“