Erfurt. Der Historiker Steffen Raßloff schaltet sich in die Debatte um die touristische Vermarktung des Freistaats ein. Er plädiert für eine Rückbesinnung.

Thüringen trägt dank seiner natürlichen Reize den Titel „Grünes Herz Deutschlands“. Als frühes Tourismusland hat man diese Marke seit dem späten 19. Jahrhundert aufgebaut. Am nachhaltigsten wirkte das gleichnamige Buch (1897) von August Trinius, einem vielgelesenen Wanderschriftsteller aus Waltershausen. Der Slogan diente dann der Außendarstellung des 1920 gebildeten Landes Thüringen und war in ganz Deutschland präsent. 1990 knüpfte man im wiedergegründeten Freistaat Thüringen erfolgreich an diese Marke an. Seit einigen Jahren aber meinen nun verantwortliche Politiker und Touristiker, sie sei verstaubt und spiegele nicht das Potenzial des Landes. Gerade erteilte Wirtschaftsminister Tiefensee (SPD) dem Slogan aus „Kaisers Zeiten“ eine klare Absage.

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Gegen diese abfällige Sicht auf das Grüne Herz, zu dem bisher keine griffige Alternative gefunden wurde, regt sich Widerspruch. Aktuell wird wieder eine Rückkehr gefordert, kombiniert mit den Kulturschätzen des Landes. Dies scheint auch durchaus berechtigt: Nur in wenigen anderen Bundesländern gibt es mit 33 Prozent der Gesamtfläche so viel Wald wie hier. Etwa ein Viertel wird als Nationale Naturlandschaften entwickelt.

Thüringer Wald ist der bekannteste Naturschatz

Der bekannteste Naturschatz ist der Thüringer Wald. Seine Höhenzüge laden zum Wandern und Skilaufen ein. Höchster Gipfel ist der Große Beerberg (983 m); die dominierende Landmarke bildet der Große Inselsberg (916). Große Bekanntheit genießt der Rennsteig, der rund 170 Kilometer lange Kammweg. Das 1951 erstmals von Herbert Roth gesungene Rennsteiglied gilt als heimliche Nationalhymne Thüringens.

Im Umfeld des meistbegangenen Weitwanderweges in Deutschland liegen die beliebtesten Urlauberorte, allen voran die internationale Wintersporthochburg Oberhof. Seit 1973 findet mit dem jährlichen GutsMuths-Rennsteiglauf zudem der größte Landschaftslauf Europas statt. Im Osten schließt sich in harmonischem Übergang das Thüringer Schiefergebirge mit dem wildromantischen Schwarzatal an.

Auch der Hainich besitzt als Unesco-Weltnaturerbe (2011) herausragende Bedeutung. Hauptziel des Nationalparks ist der Schutz des Buchenwaldes und seiner Bewohner, wie der seltenen Wildkatze. Hier soll der größte Urwald Deutschlands entstehen. Zu den touristischen Highlights zählen der Baumkronenpfad und das Wildkatzendorf Hütscheroda.

Besondere Anziehungspunkte sind auch der Kyffhäuser mit dem Kyffhäuserdenkmal und das „Thüringer Meer“ der Saalestauseen. Viele kleinere Mittelgebirgslandschaften runden das Bild ab: Südharz, Ohmgebirge, Eichsfeld, Hainleite, Schmücke, Hohe Schrecke, Finne, Holzland und Rhön. Sollte all das nicht Grund genug sein, dem Grünen Herzen im Tourismus und als identitätsstiftendes Motto wieder einen zentraleren Platz einzuräumen?

Wie Tradition und Moderne sinnvoll verbunden werden können haben uns andere Bundesländer nicht nur mit Laptop und Lederhose längst vorgemacht.

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