Thomas Beilner über Kryptokunst als neues kreatives Genre

Im März dieses Jahres ist eine Datei mit einer Collage, bestehend aus 5000 kleinen Bildern, des US-amerikanischen Digital-Künstlers Beeple (bürgerlicher Name Mike Winkelmann; Jahrgang 1981) beim Auktionshaus Christie´s für über 69 Millionen US-Dollar online versteigert worden. Beeple ist damit in die oberste Kategorie der teuersten lebenden Künstler aufgestiegen. Seit dem Jahr 2007 veröffentlicht er täglich auf einer Online-Plattform ein digitales Bild. Zusammengefasst sind die Bilder in der Collage „Everydays: The First 5000 Days“. Das Besondere an der Auktion bei Christie´s ist, dass das Werk als Non-Fungible Token (NFT) verkauft wurde.

Wie ist der Hype für die Kryptokunst einzuordnen?

Früher konnte man in den Schulpausen beim Tausch eines einzigartigen Sammelbildes den Preis in die Höhe treiben. Heute erfolgt dies über die Blockchain-Technologie, die wir aus der Welt der Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether kennen. Sie ermöglicht es mehreren Parteien, eine gemeinsame Datenbank zu verwenden, ohne einer dritten Instanz vertrauen zu müssen. Bei NFT wird das Ethereum-Netzwerk genutzt, welches Smart Contracts unterstützt. Hierbei werden kodierte Vertragsbedingungen hinterlegt, die während des Vertragsablaufs automatisch eine Aktion bei einem vorliegenden Auslöser ausführen. Stark vereinfacht funktioniert dies wie bei einem Kaffeeautomaten (Vertragsbedingungen für einen Kaffee), bei dem Sie oben Geld in das Gerät einwerfen (Auslöser) und Ihnen Kaffee (Aktion) automatisch ausgegeben wird. Im Gegensatz zu einer Kryptowährung wie Ether sind nun NFT selten, nicht teilbar und existieren nur einmal im Original.

Das von Beeple geschaffene Bild hat seinen Ursprung im Schöpferischen, ist einmalig, unwiederholbar und damit unersetzlich. Natürlich kann man Kopien anfertigen, jedoch wird davon das Original nicht berührt. „Everydays: The First 5000 Days“ existiert, unabhängig von der Anzahl an Kopien, nur einmal im Original. Die Seltenheit, Einzigartigkeit und nicht vorhandene Teilbarkeit wird in die digitale Welt über das Regelwerk des Ethereum-Netzwerkes mit dem ERC-721 Standard für NFT überführt und dokumentiert.

Angewendet wird dies aktuell für digitale Kunst, Sammelkarten und Spiele. Wer sind die Marktteilnehmer? Zuerst sind die Entwickler zu nennen, die ihr Produkt der Blockchain zuführen. Dann die Benutzer, die einen NFT erwerben, um zum Beispiel ein Spiel für eine bestimmte Zeit zu nutzen. Es folgen die Sammler, die NFT als Anlageprodukt verstehen. Aber auch spezialisierte Händler, die durch den An- und Verkauf von NFT einen Profit anstreben. Schließlich ist die Marktplattform zu nennen, an der NFT gehandelt werden. Die Nachfrage nach NFT wird getrieben von der Knappheit, Herkunft, dem individuellen Nutzen, Zustand des Objektes, der Liquidierbarkeit und eindeutigen dezentralen Dokumentation durch die Blockchain-Technologie. Das Angebot wird von dem Vertrauen in diese Technologie und der Knappheit getrieben. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis.

Sicherlich sind die aktuellen Preise übertrieben. Märkte werden aber von Narrativen getrieben. Die Berichterstattung zu NFT in den Medien und Aufmerksamkeit hat zugenommen. Durch ein knappes Angebot nimmt die Spekulation zu und treibt die Preise. Gleichwohl dokumentiert NFT eindrucksvoll den Einfluss, den die Kryptowelt und Blockchain-Technologie auf unser tägliches Leben haben wird. Dem dürfen wir uns nicht verschließen.

(Thomas Beilner ist Honorarprofessor für Finanzmarkttheorie an der Universität Erfurt. Er studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Frankfurt am Main und promovierte an der Universität Bayreuth.)