Thomas Beilner zur Diskussion über die Einführung des digitalen Euros

Erst Muscheln und Meeresschnecken, dann Goldklumpen und schließlich Münz- und Papiergeld werden als Zwischentauschmittel für Waren eingesetzt. Spätere Generationen schmunzeln vielleicht darüber, wenn sie von dem Gebrauch unseres bedruckten Papiers hören. Immer ist der Übergang von einer Geldform auf die nächste eng mit dem technologischen Fortschritt verbunden.

Heute treibt die Digitalisierung den Übergang vom physischen Bargeld in die digitale Welt und wird beschleunigt durch Kryptowährungen (u. a. Bitcoin) und gedeckte Stablecoins, unter anderem geschaffen durch Großunternehmen wie Facebook mit „Diem“ (vorher „Libra“). Dies fordert auch die Europäische Zentralbank (EZB), ihre Positionierung zum Thema „digitales Zentralbankgeld“ (Central Bank Digital Currency, CBDC) vorzunehmen. Mitte des Jahres soll entschieden werden, ob ein Projekt zum „digitalen Euro“ überhaupt startet.

Doch was ist CBDC? Neben den Reserven der Banken bei der EZB und dem physischen Bargeld würde CBDC eine dritte Form von Zentralbankgeld darstellen und je nach Ausgestaltung zwischen den beiden erstgenannten verortet sein. Soll es das physische Bargeld ergänzen, bietet sich eine wertbasiert Variante an. Ähnlich dem physischen Bargeld wird über einen Token die Übertragung von einer digitalen Geldbörse in eine andere möglich sein. Hier kann sowohl ein zentrales Datenbanksystem als auch die Distributed-Ledger-Technologie genutzt werden, deren bekanntester Anwendungsfall die Blockchain ist.

Eine Alternative hierzu ist die kontenbasierte Variante. Dabei wird ein Konto bei der Zentralbank eingerichtet, das über einen Intermediär (Hausbank) geführt werden könnte. Allerdings führt dies zu einer parallelen Struktur zum heutigen Bankensystem, einem Wettbewerb zum Buchgeld mit Risiken und Nebenwirkungen zur Geldschöpfung und Kreditvergabe der Geschäftsbanken.

Davon unabhängig sind Fragen zu beantworten, ob CBDC einer breiten oder begrenzten Öffentlichkeit, zinstragend oder nicht-zinstragend anzubieten ist, inwiefern die Finanzmarktstabilität, Geldpolitik, die makroökonomischen Wirkungen beeinflusst werden und wie die einzelnen Schnittstellen zwischen der CBCD Datenplattform und den externen und zentralbankinternen Systemen, den Abwicklungshäusern aber auch Kartensystemen zu konfigurieren sind. Dieser hier nur angerissene Fragenkatalog verdeutlicht, dass mit CBCD Neuland betreten wird und die Unsicherheit über die Wirkungsweise der verschiedenen Gestaltungsmerkmalen des neuen Instruments nicht zu unterschätzen ist.

Die EZB betont, dass es nicht ihre die Absicht ist, das Bargeld abzuschaffen, das Finanzsystem mit dem Einlagen- und Kreditgeschäft der Banken als Finanzintermediäre umzugestalten und den „digitalen Euro“ als gesichertes Zentralbankgeld zu einem Anlageobjekt zu machen. Vielmehr gilt es zu verhindern, dass der europäische Zahlungsverkehr von globalen Technologieunternehmen außerhalb von Europa mit Kunstwährungen beherrscht wird.

Es ist daher sehr zu begrüßen, dass die EZB sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt, um das Bargeld mit einem „digitalen Euro“ im Euroraum als modernes und sicheres Zahlungsmittel zu ergänzen, der den Schutz der Privatsphäre gewährleistet und hinter dem der Stabilitätsanspruch einer unabhängigen Zentralbank steht. Ist die Ausgestaltung dann noch benutzerfreundlich und stößt auf breite öffentliche Akzeptanz, wird die Autonomie Europas gefördert.

(Thomas Beilner ist Honorarprofessor für Finanzmarkttheorie an der Universität Erfurt. Er studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Frankfurt am Main und promovierte an der Universität Bayreuth.)