Berlin. Die Bundesnetzagentur schlägt vor, Deutschland in Strompreis-Zonen zu unterteilen. Das hätte große Auswirkungen für die Verbraucher.

Wenn starker Wind den Norden Deutschlands durchzieht, wird in Deutschlands Regionen unterschiedlich viel Strom erzeugt. Die Windparks im Norden der Republik liefern günstigen Strom, den die Verbraucherinnen und Verbraucher im Süden gerne nutzen würden. Doch das veraltete Stromnetz kann die Nachfrage nicht bewältigen. Das führt dazu, dass teure Kohlekraftwerke im Süden einspringen, während im Norden Windräder abgeregelt werden müssen. Diese Ausgleichsmaßnahmen verursachen hohe Kosten, die über Netzentgelte von allen deutschen Stromkunden und Steuerzahlern getragen werden.

Um diese Problematik zu lösen, wird seit Längerem diskutiert, ob Deutschland in mehrere Strompreiszonen aufgeteilt werden sollte. Hintergrund des Vorschlags ist, dass die norddeutschen Länder sich gegenüber dem Süden benachteiligt fühlen. Die Länder im Norden trügen einen hohen Anteil der erneuerbaren Energien wie etwa Windenergie und müssten gleichzeitig die hohen Strompreise verkraften, hieß es. Andere Länder wie Norwegen, Italien und Dänemark haben bereits ähnliche Zoneneinteilungen.

Die Bundesnetzagentur sprach sich am Samstag ebenfalls für eine Strompreisreform mit niedrigeren Gebühren für Regionen mit viel Windkraft aus. Der Präsident der Behörde, Klaus Müller, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", im Bundestag liege ein Gesetzentwurf, der die Netzagentur autorisieren würde, faire Netzentgelte einzuführen. "Sobald das Gesetz verabschiedet ist, werden wir einen Vorschlag für die Reform machen." Bislang würden Regionen, die besonders auf Windkraft setzen, finanziell besonders stark belastet.

StrompreisbestandteileAnteil am Strompreis im Jahr 2023
Steuern, Abgaben und Umlagen26 Prozent
Gesetzlich regulierte Netzentgelte und Kosten für Messstellenbetrieb20 Prozent
Kosten für Stromeinkauf, Service und Vertrieb54 Prozent

Datenquelle: Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft

Lesen Sie auch: Staat verdient am Strompreis kräftig mit – Experte mahnt

Strompreis-Zonen: Was die Aufteilung für die Stromrechnung bedeutet

Für Verbraucher hätte die Einführung von Strompreis-Zonen in Deutschland weitreichende Auswirkungen auf ihre Stromrechnungen. Das derzeitige System, das den Strompreis für das gesamte Land vereinheitlicht, würde durch regionale Preiszonen ersetzt werden. In Gebieten mit reichlich Windkraft könnte der Strom günstiger werden, während Verbraucher in Regionen mit weniger erneuerbarer Energieproduktion voraussichtlich höhere Preise zahlen müssten.

Das könnte dazu führen, dass der Ausbau erneuerbarer Energien in südlichen Regionen wie Bayern attraktiver wird. Die Neugestaltung der Preise zielt darauf ab, das Energiesystem besser auszubalancieren und den Netzausbau effizienter zu gestalten, was langfristig betragen soll, dass Deutschland die Klimaneutralitätsziele erreicht.

Experte: 2022 mussten Verbraucher über 4 Milliarden Euro zusätzliche Kosten tragen

"Ich erachte Strompreise, die an die Verfügbarkeit des Stroms gekoppelt sind, als ein wichtiges Instrument für ein effizientes Strommarktdesign", sagt Andreas Jahn vom Thinktank Regulatory Assistance Project (RAP). Die Strompreis-Zonen, die bisher entlang der nationalen Grenzen bestimmt werden und die nicht die Verfügbarkeit darstellten, führten zu großen Ineffizienzen. Sie verursachten hohe zusätzliche Kosten, die die Verbraucher tragen müssten, so Jahn. "Im Jahr 2022 waren dies über 4 Milliarden Euro."

Würden Strompreis-Zonen eingeführt, würden sich die Preise insgesamt verändern, so Jahn. "In sehr vielen Stunden werden die Preise in ganz Deutschland gleich sein." Doch in anderen Stunden könnten die Preisunterschiede gravierend sein. "Da der Markt ja auf starke Preisunterschiede stärker reagieren soll und wird, verringern sich damit die Unterschiede wieder."

Jahn merkt an, dass die Durchschnittspreise in Süddeutschland durchaus höher sein werden. "Vermutlich wird der Unterschied geringer ausfallen als der der Netzentgelte. Besondere in Städten und Regionen mit wenig erneuerbarer Einspeisung und hohem Verbrauch sind diese günstig."

Die Verteilung der Nettonetzentgelte für Gewerbekunden in Deutschland für das Jahr 2022.
Die Verteilung der Nettonetzentgelte für Gewerbekunden in Deutschland für das Jahr 2022. © Bundesnetzagentur

Habecks Ministerium unterstützt den Vorschlag

Das Bundeswirtschaftsministerium unter Leitung von Robert Habeck (Grüne) unterstützt im Grundsatz den Vorstoß der Bundesnetzagentur zur Reform der Netzentgelte. Eine Sprecherin des Ministeriums sagte der "Süddeutschen Zeitung", dass es das vorrangige Ziel sei, die Netzkosten, die durch den Ausbau der erneuerbaren Energien entstehen, "zwischen den Regionen gerecht zu verteilen". Die Bundesländer hätten in der Ministerpräsidentenkonferenz die inhaltliche Diskussion aufgenommen.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) begrüßte den Vorschlag. Derzeit zahlten die Stromkunden im Süden weniger als die im Norden, sagte Weil der Zeitung "Welt". "Es steht für mich außer Frage, dass dies mit Blick auf die notwendige Energiewende nicht so bleiben kann."

Söder beklagt "Attacke der Ampel auf den Süden"

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lehnt den Vorschlag vehement ab, da er darin eine Bedrohung für den Industriestandort und die Wirtschaft im Süden sieht. "Unterschiedliche Strompreiszonen wären ein großer Fehler", sagte Söder der "SZ". Wer solchen Zonen fordere, lege "die Axt an den Industriestandort Deutschland und gefährdet Süddeutschland als industrielles Herz der Republik". Dadurch drohe "eine weitere Abwanderung von Industriebetrieben aus Deutschland und ein wirtschaftlicher Abstieg".

Söder verwies darauf, dass es neben der Windkraft andere erneuerbare Energien gebe, bei denen Bayern gut abschneide. Insgesamt sei Bayern deshalb "die Nummer 1 bei Erneuerbaren Energien – und das sowohl bei installierter Leistung als auch Zubau". Unterschiedliche Strompreiszonen wären "eine weitere Attacke der Ampel auf den Süden", sagte Söder.

Berechnungen des Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg (ISE) hatten im vergangenen Jahr jedoch festgestellt, dass Bayern nur bei absoluten Zahlen von Solar- und Windenergie – wie Söder behauptet – Spitzenreiter im Ländervergleich ist. Der Bayerische Rundfunkt berichtete damals, dass Bayern, flächenmäßig das größte deutsche Bundesland, bei der "Installierten Leistung der erneuerbaren Energien pro Quadratkilometer" klar abrutscht: auf Rang 9 der 13 deutschen Flächenländer, also ausgenommen der Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin. Spitzenreiter sind: Schleswig-Holstein, gefolgt vom Saarland, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. (mit AFP)

Hintergrund: Strom und Gas – so können Familien 1000 Euro im Jahr sparen