Berlin. Bei „Anne Will“ wurde die Haushaltskrise diskutiert. Neben einem Ausweg bot die Runde ein feuriges Plädoyer für die Schuldenbremse.

Die Umwidmung von Corona-Krediten war verfassungswidrig, der Haushalt wackelt: Das Bundesverfassungsgericht hat die Ampelkoalition in die nächste Krise gestürzt. Nun suchen SPD, Grüne und FDP einen Ausweg; für 2023 wird dazu die Schuldenbremse ausgesetzt. Und 2024?

Das Thema beschäftigte am Sonntagabend auch die Runde bei „Anne Will“. „Regierung in Geldnot – Wie hart trifft es Deutschland?“, war die Sendung überschrieben. Es diskutierten: Lars Klingbeil (SPD), Reiner Haseloff (CDU), die Journalistinnen Julia Löhr und Ann-Kathrin Büüsker sowie der Ökonom Marcel Fratzscher.

„Anne Will“: Diese Gäste waren dabei:

  • Lars Klingbeil (SPD), Parteivorsitzender
  • Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt
  • Marcel Fratzscher, Präsident DIW Berlin
  • Julia Löhr, Wirtschaftskorrespondentin „Frankfurter Allgemeine Zeitung“
  • Ann-Kathrin Büüsker, Hauptstadtkorrespondentin u.a. für Klima- und Energiepolitik „Deutschlandfunk“

Haushaltskrise: Fragezeichen, wohin das Auge blickt

Zunächst beschäftigte sich die Runde mit den Folgen der Krise. „Die Verunsicherung ist enorm“, erklärte Ann-Kathrin Büüsker. Ob bei Chipfabriken oder Klimaprojekten: „Über allem steht jetzt ein großes Fragezeichen.“

Die Kommunikation der Bundesregierung sei ein Desaster, kritisierte die Journalistin vom Deutschlandfunk. Sie hätte für ein solches Urteil einen Plan B haben müssen, fand Büüsker. Doch den habe es offensichtlich nicht gegeben. „Ich halte das für fahrlässig.“

Ein Plädoyer für die Schuldenbremse

Doch wie kommt die Ampel da raus? Eine Möglichkeit wäre, auch für 2024 eine Notlage zu erklären – und damit die Schuldenbremse auszusetzen. „Es gibt aber eigentlich keine außergewöhnliche Notsituation“, meinte dazu Julia Löhr, Wirtschaftsjournalistin von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Schließlich sei die Energiekrise vorbei und die Klimakrise kein externer Schock, sondern eine Generationenaufgabe. Eigentliche müsse die Bundesregierung anders klarkommen, befand Löhr.

Zugleich führte die Journalistin ein feuriges Plädoyer für die Schuldenbremse. Diese verhindere nicht etwa allgemein Ausgaben, sondern „unsinnige Ausgaben“. Für sinnvolle Ausgaben seien dagegen genügend Mittel da. „Wir schwimmen im Geld!“, befand Löhr mit Blick auf die Mittel des Bundeshaushalts.

Klingbeil: Keine Sozialkürzungen im großen Stil

Lars Klingbeil sah das anders. „Wir werden alleine für die Ukraine 20 Milliarden Euro ausgeben“, erklärte der SPD-Chef. Ohnehin gehe es um die Zukunft der deutschen Wirtschaft. Während andere Staaten wie die USA und China drastisch in ihre Industrien investierten, könne Deutschland nicht einfach zuschauen. „Dann wird die Wirtschaft Schaden nehmen“, warnte Klingbeil.

Zugleich wurde deutlich, dass Klingbeils Ausweg durchaus eine neue Notlage sein könnte. Denn anderswo will er auch nicht sparen: „Wir werden die Axt nicht an den Sozialstaat legen“, stellte Klingbeil klar.

Auch der Oppositionspolitiker ist besorgt

Eine interessante Haltung nahm Reiner Haseloff ein. Als CDU-Politiker könnte er sich theoretisch über die Probleme der Ampel freuen, doch Sachsen-Anhalts Regierungschef zeigte sich besorgt. Für ihn geht es um Milliarden-Subventionen, mit denen etwa Intel in sein Bundesland geholt werden soll.

Deswegen setzte Haseloff auf eine Mittelposition: Die Schuldenbremse stehe nicht zur Debatte, erklärte er. Aber: „Wenn nicht jetzt, wann sind wir dann in einer Notlage?“, fragte Haseloff. Die Folgen der Pandemie wirkten noch immer nach. Auch müssten weiter die Kosten von Putins Krieg abgefedert werden. „Das ist keine Trickserei“, sagte der CDU-Politiker deswegen mit Blick auf eine Aussetzung der Schuldenbremse für 2024.

Das Fazit

Diese Ausgabe von „Anne Will“ machte deutlich, was in der Haushaltskrise wohl passieren wird: Auch für das kommende Jahr wird möglicherweise eine Notlage erklärt werden, sofern die FDP das denn mitträgt. Das wäre temporär eine praktikable Lösung, auch wenn die Anforderungen an die Argumentation nach dem Verfassungsgerichtsurteil wohl hoch wären.

Doch die eigentliche Frage liegt tiefer. Marcel Fratzscher wies in diesem Zusammenhang auf eine eigentlich notwendige Richtungsentscheidung hin. „Die Politik muss festlegen, wo die Prioritäten liegen“, forderte der Ökonom. Es gehe nicht um einzelne Jahre, sondern um Jahrzehnte. Soll die Schuldenbremse im engen Sinne eingehalten werden? Oder soll es Investitionen in Bildung, Klima und Digitalisierung geben? Müssen dazu Steuern erhöht werden?

Die Klärung dieser Fragen wäre durchaus sinnvoll. Man kann sich derzeit nur nicht vorstellen, dass ausgerechnet die Ampel ein solch dickes Brett bohren kann.

Zur Ausgabe von „Anne Will“ in der ARD-Mediathek