Chefredakteur Jan Hollitzer über die Wahl zum neuen Thüringer Ministerpräsidenten.

Keine der im Landtag vertretenen Parteien geht unbeschädigt aus dieser Wahl hervor.

Absprachen, Tricks, vorab unterschriebene Abkommen oder Koalitionsverträge. Dazu Machtversessenheit, Tücke und Überschätzung. Die letzten Wochen haben die Menschen in Thüringen in noch nie dagewesener Art und Weise verunsichert und enttäuscht, und sie haben das Vertrauen in die Volksvertreter erschüttert.

Dass ein Stabilitätsabkommen zwischen Linke, SPD und Grüne sowie der CDU notwendig ist, um überhaupt eine Regierung zu ermöglichen, ist ebenso unerträglich, wie der bereits vor der Wahl am 5. Februar ohne Mehrheiten überheblich unterzeichnete Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün.

Die CDU-Fraktion hat unter dem Druck der Unvereinbarkeitsbeschlüsse Bodo Ramelow durch ihre Enthaltung zum Ministerpräsidenten gemacht. Nimmt man es genau, bricht sie ein Wahlversprechen. Nämlich jenes, genau dies verhindern zu wollen und eine Rot-Rot-Grüne Regierung abzulösen.

Die FDP ging trotzig gar nicht mehr an die Wahlurne, um gegenüber ihren Wählern keine Verantwortung übernehmen zu müssen.

Die AfD pocht auf Demokratietheorie, um sie ganz praktisch zu missbrauchen, Scheinkandidaten aufzustellen und Regeln unseres Zusammenlebens oder die Parlamentskultur ins Lächerliche zu ziehen. Ihr Ziel ist es, die Gesellschaft zu spalten. Diesem ist sie am Mittwoch jedenfalls wieder einen Schritt näher gekommen, obgleich das Manöver durch Höckes Nichtantritt im letzten Wahlgang misslang. Dadurch nämlich wollte man die Legitimität Ramelows als Ministerpräsident durch mehr Nein-Stimmen verfassungsrechtlich klären lassen.

Aber: Während sich CDU und FDP, die selbst ernannten Parteien der Mitte, in den ersten beiden Wahlgängen enthielten oder nicht mitwählten, standen sich mit Rot-Rot-Grün und der AfD erkennbar nur zwei Lager gegenüber. Die Polarisierung schreitet voran.

Deshalb sind schnellstmögliche Neuwahlen erforderlich, um diese Vorgänge neu bewerten zu lassen.

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