Hanno Müller über Museumsbestände aus kolonialer Zeit.

Im Kulturstadtjahr 1999 war in Weimar die Ausstellung „Vom Antlitz zur Maske“ zu sehen. Ausgehend von Gesichtsmasken, Haarproben, Stereoaufnahmen und Messblättern im Bestand des Naturhistorischen Museums in Wien wurde an 440 Juden erinnert, an denen 1939 in Wien rassenanthropologische Experimente auf der Suche nach dem „jüdischen Stereotyp“ vorgenommen wurden. Danach waren alle Untersuchten nach Weimar deportiert und im KZ Buchenwald umgebracht worden. Mit Kurzbiografien, Porträts, Zeitzeugengesprächen sowie Dokumenten über das Vorgehen der SS-Anthropologen gab die Ausstellung im Schillerhaus den Masken Namen und Antlitz zurück.

Wie die Verbrechen des Holocaust müssen die der Kolonialzeit aufgearbeitet werden. Im Zuge der Provenienzforschung wird seit Längerem Juden gestohlene Kunst aufgespürt und zurückgegeben. Das muss auch für Raubgut aus der Kolonialzeit gelten. Gemeinsam ist beiden Verbrechen, dass Herrenmenschen andere zu Minderwertigen erklärten und sich gleichzeitig an ihnen bereicherten. Die Frage nach der Rechtmäßigkeit von Erwerbungen stellt sich nicht, wo der Stärkere Preise diktiert oder sich einfach nimmt, wonach im gelüstet.

Museen müssen offenlegen, was sie haben

Frankreichs Staatspräsident setzt mit seinem Vorhaben, koloniale Kunstschätze aus französischen Depots nach Afrika zurückzusenden, auch hiesige Museen unter Druck. Zu einfach darf man es sich aber nicht machen. Mit der Inbesitznahme wurde Verantwortung übernommen. Wertvolle wie ethnisch sensible Stücke müssen in die richtigen Hände übergeben werden. Welche das sind, bedarf des offenen und ehrlichen Dialogs mit den rechtmäßigen Empfängern.

Die Antworten auf die Anfrage der Grünen zu kolonialen Hinterlassenschaften in Thüringer Museen sind ein Anfang. Die Museen müssen ihre Inventare öffnen und offenlegen, was sie haben. Zudem sollten sie sich mit ihrer Sammlungsvergangenheit auseinandersetzen. Die Ausstellung „Vom Antlitz zur Maske“ hat 1999 eindrucksvoll vorgemacht, wie es geht.