Washington. . In einer Rede am Vorabend seines 77. Geburtstages gibt sich Donald Trump trotzig. Vertraute sagen: „Er hat die Hosen gestrichen voll.”

Wenige Stunden nach der historischen Anklageverlesung gegen ihn in Miami hielt sich Donald Trump auf heimischen Golf-Klub-Territorium in Bedminster/New Jersey nicht mit langer Vorrede auf.

Knapp 900 geladene Gäste, darunter seine engsten Mitstreiter und Geldgeber der vergangenen sieben Jahre, wurden bei schwül-warmen Abendtemperaturen mit einer galligen Breitseite empfangen, die selbst für Trump neue Standards der Polemik setzte.

Der Ex-US-Präsident nannte die beispiellosen strafrechtlichen Schritte gegen ihn wegen der angeblich illegalen Handhabung sensibler Geheim-Dokumente über die nationale Sicherheit der USA den „teuflischsten und abscheulichsten Machtmissbrauch in der Geschichte der Vereinigten Staaten”.

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Donald Trump: Biden „korrupt”, Ermittler „derangiert”

Dahinter stehe wie aus dem Drehbuch eines „faschistischen oder kommunistischen Landes” kommend sein Nachfolger: Joe Biden. Der „korrupteste Präsident” in der Geschichte Amerikas versucht „unsere Demokratie zu zerstören, sagte Trump. „Aber er wird scheitern.” Trump hatte zuvor in Miami vor Gericht auf „nicht schuldig” plädiert. Ihm wird gesetzwidriges Verhalten im Umgang mit Staatsgeheimnissen und Behinderung der Justiz vorgeworfen.

Durch die Anklage des vom Justizminister eingesetzten Sonder-Ermittlers Jack Smith, den Trump einen „derangierten Irren”, „Verbrecher” und „wütenden Trump-Hasser” nannte, sei er mit potenziell „400 Jahren Gefängnis” bedroht. Etwas „Bösartigeres” habe es in der US-Justizgeschichte noch nie gegeben.

Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, gestikuliert nach seiner Rede im Trump National Golf Club in Bedminster.
Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, gestikuliert nach seiner Rede im Trump National Golf Club in Bedminster. © Andrew Harnik/AP

Trump nannte die von den meisten Rechtsexperten und sogar etlichen Parteifreunden bei den Republikanern als „vernichtend” und „sehr gefährlich” bezeichnete Anklage schlicht „lächerlich” und forderte: „Sie sollten die Sache sofort fallen lassen.”

Immer wieder betonte der 77-Jährige: „Ich hatte jedes Recht, diese Dokumente zu haben.” Was mit Staatsdokumenten geschehe, sei laut einem einschlägigen Gesetz (Presidential Records Act) allein in das Benehmen des Präsidenten gelegt, der „uneingeschränkte Autorität” besitze. Niemand habe das Recht das zu verhindern. Etliche Rechtsexperten widersprechen dieser Interpretation vehement.

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Trump zeigt mit dem Finger auf Bill Clinton

Weite Strecken seiner 30-minütigen Rede, die laut Fakten-Checkern voller Lügen und Verdrehungen war, nutzte Trump, um die Linie anzudeuten, entlang der seine Anwälte in den kommenden Monate bis zum Prozess agieren werden.

Tenor: Andere Top-Politiker wie Bill Clinton, Hillary Clinton und Joe Biden von den Demokraten hätten Ähnliches oder Schlimmeres getan, seien aber allesamt unbehelligt geblieben. Aus Trumps Sicht der Beweis für zwei verschiedene Rechtsstandards.

Trump behauptete, dass Präsident Bill Clinton nach seiner Zeit im Weißen Haus rund 80 Audio-Mitschnitte mit sensiblen Informationen mitgenommen habe. Als er verklagt wurde, habe er gewonnen. Aus seiner Zeit als Senator und Vize-Präsident habe Joe Biden massenweise Unterlagen mitgenommen und an diversen Stellen geparkt. Hillary Clinton schließlich habe Tausende Dienst-E-Mails vernichten lassen. „Biden und Hillary Clinton haben das Gesetz gebrochen – und blieben unbehelligt. Ich habe alles richtig gemacht – und werde angeklagt.” Dass Trump anders als alle Genannten mehrfache richterliche Aufforderungen ignorierte, die Regierungsdokumente an das National-Archiv zu geben, erwähnte er nicht.

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„Ich bin der einzige, der diese Nation retten kann”

Am Ende seiner von Verleumdungen und Beleidigungen strotzenden Rede schimmerte ein zweiter Eckpfeiler der Verteidigungs-Strategie durch: Der Ex-Präsident schiebt seine Anhänger als die eigentliche Zielscheiben des „tiefen Staates” nach vorn. „Sie wollen mir meine Freiheit wegnehmen, weil ich niemals zulassen werde, dass sie euch eure Freiheit wegnehmen”, las Trump vom Teleprompter ab, „sie wollen mich zum Schweigen bringen, weil ich niemals zulassen werde, dass sie euch zum Schweigen bringen.”

Trumps Motiv: Warum gab er die Geheimdokumente nicht zurück, die er nach seiner Abwahl nach Hause nahm? Der Ex-Präsident vor seinen Anhängern in Washington
Trumps Motiv: Warum gab er die Geheimdokumente nicht zurück, die er nach seiner Abwahl nach Hause nahm? Der Ex-Präsident vor seinen Anhängern in Washington © Andrew Harnik/AP

Erneut sagte er er: „Ihr wisst, dass sie nicht hinter mir her sind. Sie sind hinter euch her und ich stehe ihnen nur zufällig im Weg.” Aber er werde niemals aufgeben oder weichen. „Ich bin der einzige, der diese Nation retten kann”, die dem Verfall preisgegeben sei und von „Kommunisten” zu einem „Venezuela auf Steroiden” gemacht werde. „Wenn die Kommunisten damit durchkommen, werde ich nicht der Letzte sein. Sie werden nicht zögern, um Christen, Abtreibungsgegner, Eltern, die Schul-Beiräte besuchen und künftige republikanische Kandidaten zu verfolgen.”

Trump kündigte Vergeltung an. Am 5. November 2024, dem Tag der nächsten Präsidentschaftswahl, werde der „Gerechtigkeit Genüge getan”. Für den Fall seines Sieges kündigte Trump die Einsetzung eines „echten Sonderermittlers” an, der „die gesamte Biden-Verbrecher-Familie” untersuchen werde.

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Biden soll fünf Millionen US-Dollar Bestechungsgeld angenommen haben

Einmal mehr behauptete Trump ohne jeden Beweis, dass Joe Biden zu seiner Zeit als Vizepräsident vom ukrainischen Energie-Unternehmen Burisma, wo sein Sohn Hunter Biden zwischenzeitlich einen hohen Aufsichtsratsposten hatte, Bestechungsgeld in Höhe von fünf Millionen Dollar angenommen zu haben.

Der massive Trotz und die Siegeszuversicht, die Trump zurzeit demonstriert, ist nach Ansicht von einst engsten Vertraute aber nur Fassade. „Er hat die Hosen gestrichen voll”, sagte sein ehemaliger Stabschef John Kelly. „Zum ersten Mal in seinem Leben sieht es so aus, als würde er zur Rechenschaft gezogen.”