Berlin/München. Markus Söder und Friedrich Merz halten Händchen, schenken sich Herzen, verstehen sich „exzellent“. Beide feiern die neue Einigkeit.

„Wir verstehen uns exzellent“, sagt Markus Söder und schenkt Friedrich Merz sein breitestes Lächeln. „Auch wenn wir uns das beide am Anfang nicht zugetraut hätten.“ Die neue Zuneigung des CSU-Chefs zu seinem CDU-Kollegen kommt nicht von ungefähr – und sie fußt wie so oft bei Söder auf einem strategischen Ziel: Söder und Merz brauchen sich im Moment gegenseitig, um zu verhindern, dass noch mehr Leute von der Union nach rechts abwandern. Mit der Forderung nach einer Obergrenze beim Flüchtlingszuzug ziehen Söder und Merz jetzt an einem Strang.

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„Friedrich hat den richtigen Kompass“, lobt Söder den CDU-Chef am Wochenende beim Parteitag in München. Das Bild, auf dem zu sehen ist, wie der Bayer dem Sauerländer ein überdimensionales Lebkuchenherz schenkt („In Bayern lebt es sich einfach besser“), taucht Minuten später auf den Social-Media-Accounts der beiden auf, man feiert die neu entdeckte Einigkeit.

Markus Söder und Friedrich Merz auf dem CSU-Parteitag: „Wir verstehen uns exzellent.“
Markus Söder und Friedrich Merz auf dem CSU-Parteitag: „Wir verstehen uns exzellent.“ © dpa | Peter Kneffel

Merz passt Söder aus zwei Gründen gut ins Konzept

Soviel Süßholz war selten: Mit CDU-Chefin Angela Merkel lief es nur in jenen Monaten leidlich gut, als Söder und das Kanzleramt gemeinsam im Team Vorsicht harte Corona-Maßnahmen durchsetzten. Mit Armin Laschet folgte der brutale Kampf um die Kanzlerkandidatur. Merz dagegen passt dem CSU-Mann in zweierlei Hinsicht gut ins Konzept: Dessen konservative, wirtschaftsfreundliche DNA ist mit Söders kompatibel. Mittelstandspolitik, sichere Grenzen – da ist man sich schnell einig. Ob Merz dagegen in einem Jahr stark genug ist, um Kanzlerkandidat der Union zu werden, ist aktuell offen. Für Söder ist das ein Vorteil: Sollte der Bayer eines Tages bei sich noch einmal Ambitionen auf den Job in Berlin entdecken, wäre er nicht gänzlich chancenlos.

NameMarkus Söder
Geburtsdatum5. Januar 1967
SternzeichenSteinbock
AmtMinisterpräsident (Bayern)
ParteiCSU
Parteimitglied seit1983
FamilienstandVerheiratet, vier Kinder
Größe1,94 Meter
WohnortNürnberg

Der Burgfrieden zwischen den Chefs der beiden Schwesterparteien zielt aktuell vor allem auf die Landtagswahlen in Hessen und Bayern am 8. Oktober. Mit 14 Millionen Wahlberechtigten, einem Viertel der Wahlbevölkerung in Deutschland, komme die Doppelwahl einem Stimmungstest für ganz Deutschland gleich, kalkuliert Merz. Beide wissen: Die Leute wollen keinen Streit, sie wollen Lösungen, und von einer Volkspartei erwarten sie das zu Recht. „Wir waren immer am stärksten, wenn wir zusammengehalten haben“, sagt Söder.

Er weiß, wie ein solcher Satz aus dem Mund eines CSU-Mannes klingt. Waren es doch die Söders und Seehofers, die in den vergangenen Jahren viel Energie darauf verwendeten, die alte Konkurrenz zwischen den Schwesterparteien im offenen Streit zu eskalieren. Die Folge: ein katastrophales Erscheinungsbild der Union.

Söder und Merz halten sich den Rücken frei

Söders neue Zuneigung zum Chef im Adenauerhaus kennt jedoch auch Grenzen: Als sich Merz im Interview über die Möglichkeiten gemeinsamer Politik mit der AfD auf lokaler Ebene ausließ, regierte der Bayer umgehend: „Ein Nein heißt ein Nein.“ Es gebe keine Relativierung und kein Aufweichen. Im politischen Alltag dagegen halten sie sich in heiklen Fragen gegenseitig den Rücken frei: In der Aiwanger-Affäre stellte sich Merz hinter Söder, nach der umstrittenen gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD im Thüringer Landtag stellte sich Söder hinter Merz.

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Was die beiden nicht nur machtpolitisch eint: Söder und Merz treibt die grundsätzliche Sorge an, dass in Deutschland gerade etwas ins Rutschen gerät. Die hohe Zustimmung zur AfD, die massive Sorge in den Kommunen vor einer Überforderung durch die wachsende Zahl von Flüchtlingen – und das alles vor dem Hintergrund einer Volkswirtschaft, die gerade jetzt vital sein müsste, stattdessen aber Krisensymptome zeigt. „Wir beide wissen, dass wir nicht nur Verantwortung haben für unsere Parteien“, sagt Merz beim CSU-Parteitag. Es gehe jetzt darum, das große Ganze zu retten: das Industrieland, den Sozialstaat, das demokratische Miteinander. „Das steht auf dem Spiel.“

Markus Söder (l) über die CSU und CDU: „Wir waren immer am stärksten, wenn wir zusammengehalten haben.“
Markus Söder (l) über die CSU und CDU: „Wir waren immer am stärksten, wenn wir zusammengehalten haben.“ © imago/Chris Emil Janßen | IMAGO/Chris Emil Janssen

Merz forderte in München Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, gemeinsam mit der Union eine Lösung für die Flüchtlingskrise in Deutschland zu suchen. „Ich biete Ihnen an: Lassen Sie uns das zusammen machen, und wenn Sie das mit den Grünen nicht hinbekommen, dann werfen Sie sie raus, dann machen wir es mit Ihnen – aber wir müssen dieses Problem lösen.“ Es ist ein Angebot – aber auch eine Kampfansage: „Wir haben hier einen solchen Sprengstoff für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft“, sagte Merz. Wenn das Problem nicht gelöst werde, sei Scholz allein für die Folgen verantwortlich. „Einschließlich der weiteren Radikalisierung unseres Parteienspektrums in der Bundesrepublik Deutschland.“

Kommt es zu einem neuen Deutschland-Pakt in der Asylpolitik?

Merz erinnerte an den 1993 von der damals regierenden Union und der damals oppositionellen SPD gefundenen Asylkompromiss, der zu einer Grundgesetzänderung führte. Nach diesem Vorbild müsse nun eine große Lösung gefunden werden. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sekundierte: „Es gibt mit uns im Bundestag eine Mehrheit, diese Entscheidungen zum Stopp der illegalen Migration zu beschließen.“

Kommt es am Ende zu einem neuen Deutschland-Pakt in der Asylpolitik? Während Merz und Söder in München ihren Schulterschluss feierten, nahm die Debatte auch aufseiten der Ampel weiter Fahrt auf: Scholz stellte am Samstag zusätzliche Maßnahmen in Aussicht: Die Zahl der Flüchtlinge habe „dramatisch zugenommen“. Man werde an den Grenzen möglicherweise weitere Maßnahmen ergreifen müssen. Und die Grünen? Vizekanzler Robert Habeck will verhindern, „dass der Rechtspopulismus dieses Thema ausbeutet“. Zumindest darin sind sich Union und Ampel einig.