München. Ist der CSU-Chef nach der Bayern-Wahl noch der Mann, den sich viele Menschen als Kanzlerkandidat der Union wünschen? Es wird schwierig.

Noch 14 Tage, dann bekommt Markus Söder die Quittung. Die Bayern-Wahl am 8. Oktober ist Zeugnistag für den CSU-Mann: Fällt dem bayrischen Ministerpräsidenten sein Umgang mit der Aiwanger-Affäre auf die Füße? Fährt die CSU das schlechteste Ergebnis seit Jahrzehnten ein, wie es sich in Umfragen zuletzt andeutete? Und schließlich: Ist Söder danach immer noch der Mann, den sich viele als Kanzlerkandidat der Union vorstellen können? Die Wahl kann ein politisches Beben auslösen – mit Schockwellen bis nach Berlin.

Samstagmittag in München: Auf den Wiesn tobt das Oktoberfest. In der Messehalle, wo sich die CSU an diesem Vormittag zum Parteitag trifft, das Söder-Fest. Der Parteichef massiert routiniert die Seele seiner Leute. Das Strickmuster: In Bayern läuft’s super, aber überall sonst sind politische Idioten am Werk. „Wir wollen mehr bayrische Freiheit statt Berliner Verbote“, empört sich Söder unter dem Jubel der Delegierten.

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CSU-Parteitag in München: Söder teilt gegen die Bundespolitik aus

Die Klinikreform? „Ein Anschlag auf den Ländlichen Raum.“ Die Klimakleber? Sollen lieber „Arbeiten statt Kleben!“ Die Cannabis-Freigabe? Der Gesundheitsminister möge sich lieber darum kümmern, dass in diesem Winter für die Kinder Hustensäfte in den Apotheken vorhanden seien – und keine Drogen auf der Straße. Die Ampel fordert Söder auf, „sich um die normalen Leute, um die einheimische Bevölkerung mehr zu kümmern“. Und bloß kein Zentralabitur: „Schule ist kein Stuhlkreis“, poltert Söder. Noch viele Generationen sollen stolz auf ihr bayrisches Abitur sein dürfen. Es ist die alte Leier. Holt man damit noch Wähler zurück zur CSU?

Markus Söder bei Parteitag der CSU in München.
Markus Söder bei Parteitag der CSU in München. © Peter Kneffel/dpa

Anders ist es mit Söders Forderung nach einer „Integrationsgrenze“, nach einer Obergrenze für Asylsuchende. Die steigenden Flüchtlingszahlen, die Angst der Kommunen vor der Überlastung spült der CSU ein Wahlkampfthema vor die Füße, mit dem Söder auf den letzten Metern das Ruder noch einmal rumreißen will. Damit trifft er einen Nerv – nicht nur bei seinen eigenen Leuten.

Die alte Machtmaschine CSU funktioniert an diesem Samstag: Söder wird mit starken 96,6 Prozent im Amt bestätigt. Ein Ergebnis, das erstmal wenig sagt über die tatsächliche Begeisterung der Partei für Söder – aber viel über den Wunsch nach Geschlossenheit und Endspurtkraft. Man kennt das schon. Mit Markus Söder und seiner CSU ist es wie mit Christian Lindner und seiner FDP: Der Mann an der Spitze ist gleichzeitig das Gesicht und das Machtzentrum – und aktuell konkurrenzlos. Der entscheidende Unterschied: Die FDP hat massive Probleme, in den Ländern überhaupt noch in die Parlamente zu kommen. Die Angst der CSU vor einer fulminanten Wahlschlappe klingt dagegen wie ein parteipolitisches Luxusproblem.

Landtagswahl in Bayern: Der Wahlsieg ist für die CSU nicht genug

Das ist es aber nicht. Zwei Wochen vor der Landtagswahl liegen die Christsozialen in den Umfragen zwischen 36 und 38 Prozent. Genug, um mit Hubert Aiwangers Freien Wählern eine stabile Koalition zu bilden. Aber eben nicht genug, um Söder die nötige Kraft zu verschaffen, um sich in der Union weiter als mächtiger Taktgeber zu behaupten – etwa in der anschwellenden Kanzlerkandidaten-Debatte. Klar ist: Landet die CSU unter 37 Prozent, würde sie den Tiefpunkt von 2018 noch unterbieten. Damals kam die Partei mit Spitzenkandidat Söder auf 37,2 Prozent. Es war das schlechteste Ergebnis seit Jahrzehnten.

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Söder suchte in der Folge nach einem neuen Profil, sein Kurzzeit-Flirt mit den Grünen endete jedoch schnell wieder. Der Parteichef besann sich rasch wieder auf die CSU-Stammwählerschaft – und zog eine Brandmauer hoch: „Kein Schwarz-Grün. Das garantiere ich auch ganz persönlich“, sagt der Parteichef heute.

Söder vor der Wahl: „Es geht nicht um einem Schönheitspreis“

Söders Macht stützt sich seitdem stärker denn je auf die Freien Wähler. In dieser Logik war er als Ministerpräsident nahezu gezwungen, trotz vieler offener Fragen mit Blick auf die Flugblatt-Affäre an Hubert Aiwanger festzuhalten. Die CSU verlor daraufhin leicht in den Umfragen, die Freien Wähler gewannen dazu. „Es geht nicht um einem Schönheitspreis. Es geht um eine stabile Regierung“ senkt Söder schon mal vorsorglich die Messlatte.

Nach seiner Wiederwahl zum CSU-Vorsitzenden lässt sich Markus Söder von seinen Anhängern feiern.
Nach seiner Wiederwahl zum CSU-Vorsitzenden lässt sich Markus Söder von seinen Anhängern feiern. © Peter Kneffel/dpa

Dabei braucht er jeden Prozentpunkt. Nicht für den unmittelbaren Machterhalt in München, aber für die Außenwirkung: Söder kämpft gerade den wichtigsten Kampf seiner Politikerkarriere. Triumphiert er am 8. Oktober, kann er sich mit aufgekrempelten Ärmeln an die Schalthebel des Kanzlerkandidaten-Karussells von CDU und CDU setzen. Vergeigt Söder die Wahl, hieße das zwar noch lange nicht, dass mit ihm bundespolitisch endgültig nicht mehr zu rechnen wäre. Doch ohne den Nimbus des erfolgreichen Wahlkämpfers wäre seine Strahlkraft deutlich gedimmt. Läuft es dagegen am Wahltag richtig schlecht für Söder, ist nicht mal ausgeschlossen, dass die ersten sich fragen werden, ob der 56-Jährige noch der Richtige an der Spitze der CSU ist.

Ein Gefühl, das auch CDU-Chef Friedrich Merz kennt, der an diesem Samstag seine Zeit nutzt, um eine Wutrede gegen SPD-Kanzler Olaf Scholz zu halten. Es ist der Gegner, auf den sich Merz und Söder im Schlaf einigen können – und es passt ins Bild: Aktuell herrscht Burgfrieden zwischen den Chefs der beiden Schwesterparteien. In der Aiwanger-Affäre stellte sich Merz hinter Söder. Nach der umstrittenen gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD im Thüringer Landtag stellte sich Söder hinter Merz. Gemeinsam drängen sie auf eine Obergrenze für Asylsuchende. Doch das heißt nicht viel: Spätestens nach der Bayernwahl könnte es wieder vorbei sein mit diesem vorläufigen Frieden.