Braunschweig. Beim „Deutschlandtag“ der Jungen Union in Braunschweig gibt es ein Schaulaufen der beiden Alphatiere. Das größte Thema: Migration.

CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder haben in der Migrationskrise ein schnelleres Handeln der Ampel-Koalition gefordert. Beim „Deutschlandtag“ der Jungen Union in Braunschweig stellten die beiden entsprechende Forderungen. Die etwa 350 Delegierten und insgesamt 1000 Teilnehmer erlebten dort einen nachdenklichen und sehr emotionalen Merz. Söder war nach der Landtagswahl in Bayern vor zwei Wochen noch im Bierzelt-Modus. Inhaltlich waren sich die beiden in Fragen der Migrationskrise und bei der uneingeschränkten Solidarität gegenüber Israel allerdings einig.

Zur Eindämmung der hohen Zuwanderungszahlen ist nach Ansicht Söders eine Grenzpolizei in ganz Deutschland notwendig. „Wir brauchen eine solche Grenzpolizei für ganz Deutschland. Es reicht nicht nur in Bayern, wir brauchen das insgesamt“, sagte Söder. Es werde nicht reichen, ein paar stationäre Grenzkontrollen zu haben, so der bayerische Ministerpräsident. In Bayern gibt es seit fünf Jahren eine Grenzpolizei.

Migration laut Merz „völlig außer Kontrolle geraten“

Söder forderte Olaf Scholz (SPD) zum Handeln auf. Der Bundeskanzler müsse liefern, sagte er. Beim Thema Migration habe man nicht ein oder gar zwei Jahre Zeit. Auch Merz gab sich unnachgiebig. Die Migration bezeichnete er als „völlig außer Kontrolle geraten“. Der CDU-Chef erinnerte an den „Deutschlandpakt“, den Kanzler Olaf Scholz gefordert hatte. Scholz hatte ausdrücklich auch die Union mit einbezogen, um beim Bürokratieabbau, aber auch bei der Migrationsfrage zu schnellen Ergebnissen zu kommen. „Das war vor 46 Tagen“, so Merz. „Seitdem hatte ich mit Kanzler Olaf Scholz ein relativ gutes Abendessen. Mehr nicht.“

Merz betonte: „Wir wollen diesen Weg zusammen mit der Bundesregierung gehen. Aber jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Wir müssen jetzt zu Ergebnissen kommen, damit wir die unkontrollierte Einwanderung stoppen.“ Er versprach: „Wir helfen dabei, wir sind bereit, mitzuwirken.“

„Deutschlandtag“: Merz zeigt sich emotional

Die etwa 1000 Teilnehmer hatten die Möglichkeit eines direkten Vergleichs beim Schaulaufen der beiden Alphatiere von CDU und CSU. Merz wägte seine Worte bewusster ab als sonst. Der CDU-Chef zog unter großem Applaus mit JU-Chef Johannes Winkel und dem israelischen Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, in die Halle ein. Merz‘ Stimme wurde zu Beginn seiner Rede brüchig, er rang mit seiner Fassung, verdrückte eine Träne. So emotional kennt man ihn kaum.

Unmittelbar vor Merz sprach Prosor, der sich dankbar angesichts der Solidarität zeigte. Die JU-Mitglieder schwenkten Israel-Fähnchen, gaben dem Botschafter einen warmen Empfang. Prosor bezeichnete den 7. Oktober als den „dunkelsten Tag in der Geschichte Israels“. 200 Leichen könnten nach den Terroranschlägen der Hamas immer noch nicht identifiziert werden. „Es ist klar, warum“, sagte Prosor in Anspielung auf die Morde. Zum Teil wurden Kinder geköpft, sagte der Botschafter.

Junge Union: Auftritt von Söder elektrisiert den Saal

Auch mit Blick auf die Muslime in Deutschland wählte Merz seine Worte sehr genau. „Wir müssen unser Land befrieden. Das wird nicht ohne die Muslime gehen.“ Er schob aber ein: „Die, mit denen wir sprechen, müssen sich zu unseren Werten bekennen. Sie müssen die Existenz Israels anerkennen.“

Merz ordnete die Ereignisse ein: „Der 7. Oktober wird für Israel und die ganze Welt so eine Bedeutung haben wie der 11. September 2001 für die USA und die ganze Welt.“ Für seine Rede erhielt Merz einen braven, aber nicht gerade euphorischen Applaus. Dafür war Merz, dem die Rede Prosors sichtlich nahe ging, nicht kämpferisch genug.

Söders Auftritt elektrisierte den Saal. Der Bayer spitzte zu, polarisierte aber auch. Zum Song „Applause“ von Lady Gaga zog er unter wummernden Bässen ein – den Satiriker Fabian Köster von der „Heute-Show“ im Schlepptau. Nicht nur die zahlreichen JU-Mitglieder aus Bayern bejubelten Söder stürmisch.

Der CSU-Chef legte bei seiner Forderung nach einer neuen Bundesregierung mit Unionsbeteiligung in Braunschweig nach. Die Ampel-Koalition werde keine Lösung für die anstehenden Probleme insbesondere beim Thema Migration finden, sagte Söder. „Das Ehrlichste wäre jetzt: Die Regierung tritt ab, es gibt Neuwahlen.“ Dies sei aber unwahrscheinlich. „Das Beste wäre: Die Regierung tritt gesamt ab, und wir übernehmen, und ansonsten brauchen wir eine Lösung dazwischen.“

CSU-Chef Söder erntet deutlich mehr Applaus

Dann gab es aber Momente, in denen neben Lachern auch immer wieder ein eher ungläubiges Raunen durch den Saal ging. Söder überzog, obwohl er das gar nicht nötig hatte, denn die Junge Union hing an seinen Lippen. Der CSU-Chef irritierte unter anderem mit Aussagen über ein angebliches Alkoholproblem von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) oder über das Thema Wölfe, das er mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) verknüpfte. Deren Pony in ihrer Heimat in der Region Hannover wurde gerissen. Das habe die EU wohl zum Anlass genommen, um Wölfe schneller zum Abschuss freizugeben, so Söder. Von der Leyen selbst wird am Sonntag bei der Jungen Union in Braunschweig erwartet.

Söder erhielt dennoch deutlich mehr Applaus als Merz nach seiner staatstragenden Rede – nicht nur von den vielen JU-Mitgliedern aus Bayern, die Söder immer wieder mit Sprechchören feierten. Ein Vorentscheid in der Kanzlerkandidaten-Frage ist das aber sicher nicht. Darauf legten auch die JU-Vertreter in ihren Statements wert.