Karlsruhe. Zum Auftakt ihres Parteitags einigen sich die Grünen auf einen gemeinsamen Gegner. Und Habeck fordert eine Reform der Schuldenbremse.

Es ist ein symbolträchtiger Ort, an dem sich die Grünen an diesem Wochenende zu ihrem Parteitag treffen, einer, der sie zurückführt zu einer ihrer Wurzeln. Denn in Karlsruhe hat sich die Partei 1980 gegründet. Und schon damals, erinnert sich der Baden-Württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der dabei war, habe der Partei der Wind ins Gesicht geblasen.

43 Jahre später sind die Grünen Regierungspartei. Und der Druck, der in diesen Tagen auf ihnen lastet, ist in der Messehalle in Karlsruhe deutlich zu spüren. Aus zwei Landesregierungen sind die Grünen in diesem Jahr rausgeflogen, die Liste der schmerzhaften Kompromisse aus zwei Jahren Ampel ist lang. Und nach all dem ist die Regierung seit dem Urteil des Verfassungsgerichts in einer Haushaltskrise, in der am Ende für Klimaschutz kein Geld mehr da sein könnte.

Parteitag in Karlsruhe: Die Grünen-Delegierten klatschen sogar für Christian Lindner

Gut, wenn man in dieser Situation einen Gegner hat, auf den man sich einigen kann. Und es ist an diesem Abend nicht einmal der aus Grünen-Sicht sperrige liberale Koalitionspartner. Für Christian Lindners Entscheidung, die Schuldenbremse für 2023 auszusetzen, holt Grünen-Parteichef Omid Nouripour dem FDP-Vorsitzenden sogar den Applaus von den rund 800 Delegierten ein.

CDU-Chef Friedrich Merz und seine Partei dagegen bescheinigt Omid Nouripour „nicht einmal oppositionsfähig“ zu sein. Es könne doch nicht sein, dass die Opposition mehr die Niederlage der Regierung wolle als den Erfolg des Landes, schimpft Nouripour.

Robert Habeck nennt Friedrich Merz einen „Vorsitzenden von vorgestern“

Es ist der Auftakt zu einer langen Reihe von Redebeträgen, in denen Merz eine prominente Rolle spielt. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck diagnostiziert in seiner Rede am Donnerstagabend eine „Krise des Konservatismus“. Es seien konservative Begriffe und Gefühle, die im Moment unter Druck stünden, und die Union im Bundestag unter dem Vorsitz von Merz „nicht in der Lage, in der Realität anzukommen“ und tragfähige Vorschläge zu machen. Sie sei „eine Partei von gestern, angeführt von einem Vorsitzenden von vorgestern“. Von seiner eigenen Partei, die in diesem Jahr bei mehreren Landtagswahlen verloren hat und in Umfragen weit entfernt ist von den Spitzenwerten der Vergangenheit, gibt es dafür viel Beifall.

Die Grünen sieht Habeck dagegen als eine Partei der Mitte, eine Partei der Verantwortungsbereitschaft und des Pragmatismus. Und zu diesem Pragmatismus gehört aus seiner Sicht eine Reform der Schuldenbremse: Die befürworte er an sich, aber in ihrer jetzigen Form passe sie nicht mehr in die Zeit. „Mit der Schuldenbremse, wie sie ist, haben wir uns freiwillig die Hände hinter dem Rücken gefesselt“, sagte der grüne Wirtschaftsminister. „Die anderen wickeln sich Hufeisen in die Handschuhe – wir haben noch nicht mal die Hände frei.“

Grünen-Parteitag: Die Debatte um Migration wurde vorsichtshalber verschoben

Merz, das konservative Schreckgespenst, eint die Delegierten am Donnerstagabend. Die Botschaft, vor allem an die Unzufriedenen in der Partei: Die Alternative zur Ampel ist nicht „grün pur“, sondern eine Regierung unter Friedrich Merz. Wie lange diese Einigkeit hält, ist allerdings offen. Die Debatte um Migration, die wahrscheinlich kontroverseste des viertägigen Parteitags, hat die Regie vorsichtshalber auf den späten Samstagabend verschoben.

ParteiBündnis 90/Die Grünen
Gründung14. Mai 1993
IdeologieGrüne Politik, Ökologie, Soziale Gerechtigkeit, Europäische Integration
VorsitzendeRicarda Lang und Omid Nouripour (Stand: April 2023)
Fraktionsstärke118 Abgeordnete im Bundestag (Stand: April 2023)
Bekannte MitgliederRobert Habeck, Annalena Baerbock, Winfried Kretschmann