Erfurt. In Thüringen sucht ein Gremium weiter nach Aufklärung für eine vermeintliche oder tatsächliche Postenaffäre der rot-rot-grünen Landesregierung.

„Christine.“ Bodo Ramelow (Linke) freut sich sichtlich, seine Vorgängerin zu erblicken. Gerade hat der Thüringer Ministerpräsident vor dem Untersuchungsausschuss „Postenaffäre“ ausgesagt und steht auf dem Landtagsflur, als seine Vorgängerin Christine Lieberknecht (CDU) eintrifft. Sie umarmen sich kurz. Auch Lieberknecht ist vor das Gremium, das da gerade eine kurze Pause eingelegt hat, geladen und soll zu einer ihrer Personalien aussagen.

Am Rande der Begegnung steht Thomas Kemmerich (FDP), der als Abgeordneter Mitglied in dem Untersuchungsausschuss ist. Auch er ist ein gewesener Ministerpräsident, dessen Wahl am 5. Februar 2020 eine wochenlange Regierungskrise ausgelöst hat. Schnell ein Foto? Ramelow wie Lieberknecht lächeln, auch Kemmerich kommt für das Bild dazu. In Thüringen wird gelächelt. Auch in schwierigen politischen Situationen.

Kabinettsvorlage für Ernennung schon von Anfang Februar

Wie kompliziert die Lage ist, das spürt vor allem Bodo Ramelow (Linke). Er wird schon das zweite Mal vernommen und soll diesmal darüber aussagen, wie seine heutige Infrastrukturministerin Susanna Karawanskij (Linke) einst zur Staatssekretärin werden konnte. Die CDU insistiert im Ausschuss darauf, dass die Vertragsentwürfe für die heutige Ministerin schon vor dem 5. Februar 2020 fertig gewesen seien. Ob Ramelow das bekannt gewesen sei, will der Abgeordnete Stefan Schardt (CDU) erfahren. Ramelow argumentiert, dass er auf der Arbeitsebene nicht eingreife und erst tätig werde, wenn ihm der komplette Vorgang – inklusive beamtenrechtlicher Prüfungen – vorliege. Ramelow betont seine Dankbarkeit gegenüber seiner Kollegin dafür, dass sie die Aufgabe übernommen habe in einer Zeit, in der Neuwahlen quasi schon vereinbart gewesen seien.

Allerdings: Nach Informationen dieser Zeitung existierte eine Kabinettsvorlage, die vorsah, Karawanskij schon zum 5. Februar in den Landesdienst zu verpflichten – zu einem Zeitpunkt, als es noch keine Debatte über Neuwahlen gab.

Lieberknecht nimmt Ramelow in Schutz

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Andreas Bühl, monierte nach der Vernehmung des Ministerpräsidenten: „Herrn Ramelows Aussagen sind nicht nur löchrig wie ein Schweizer Käse, sondern irreführend. Als Regierungschef hat er mit seiner Unterschrift für jede Entscheidung seiner Verwaltung geradezustehen.“ Insbesondere, dass Ramelow sich häufig darauf berufe, sich nicht erinnern zu können, sei ein Unterschied zur Vernehmung von Ministerpräsidentin a.D. Christine Lieberknecht, die umfassend ausgesagt habe.

Lieberknecht, die zur Verpflichtung ihrer Staatssekretärin Hildigund Neubert (CDU) und deren geplanter Lebenszeitverbeamtung im Jahr 2013 vernommen wurde, gibt ihrem Amtsnachfolger Ramelow im Ausschuss allerdings Rückendeckung: „Ich glaube, wenn ich aktiv im Regierungsstress stünde, hätte ich auch nicht die Zeit, mich so intensiv vorzubereiten. Aber ich habe ja jetzt Zeit für so was.“ Zur Besetzung von Neubert schildert Lieberknecht tatsächlich ausführlich die Beweggründe für die Ernennung und spannt dabei den ganz weiten europäischen Bogen. Und die Verwaltungserfahrung? Es sei ihre politische Verantwortung und ihre politische Entscheidung gewesen, gibt Lieberknecht zu Protokoll.

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