Erfurt. Der Thüringer CDU-Vorsitzende Mike Mohring taktierte lange, riskierte viel – und könnte alles verlieren.

Mitten in dem Beben, das Thüringen erschüttert, ist der Vorsitzende der Landes-CDU kaum zu erreichen.

Mike Mohring, heißt es am Donnerstag in der Partei, treffe sich mit der Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer zu einem längeren Gespräch. Derweil trudeln die ersten Rücktrittsforderungen aus der CDU ein, von Landräten und dem Bundestagsabgeordneten Eckhardt Rehberg. Jemand aus der ersten Reihe, ob nun aus Berlin oder Erfurt, ist noch nicht dabei. Schließlich, am frühen Abend, geht Mike Mohring ans Telefon. „Ich werde nicht zurücktreten“, sagt er. Und: Er habe die Unterstützung der Parteivorsitzenden.

Dasselbe gilt auch für die Mehrheit seiner Landespartei. Bei einer Sitzung des Vorstandes erhielt er bei einer Vertrauensabstimmung 12 Ja-Stimmen und zwei Nein-Stimmen. An der Sitzung nahm auch die Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer teil. In der Landtagsfraktion ist die Zustimmung - wie es heißt - nicht so groß.

Rückblende: Am Mittwochmittag steht Mohring im Thüringer Landtag an seinem Platz in der ersten Reihe seiner Fraktion, die zuletzt um ein Drittel geschrumpft ist. Er sieht blass aus, übernächtigt, und versucht offenkundig, keine Regung zu zeigen. Das ist der Moment, an dem alles für ihn enden kann, was er sich seit 30 Jahren aufgebaut hat. Der Vorsitz von Landespartei und Landtagsfraktion, der Sitz im Bundespräsidium, die Aussicht, irgendwann vielleicht doch noch Ministerpräsident werden zu können: Alles steht nun infrage.

Kemmerich-Wahl: Warum ging Mohring das Risiko ein?

Gerade ist, hier im Plenarsaal, das Undenkbare passiert: Der Landesvorsitzende der Liberalen, Thomas Kemmerich, ist zum Ministerpräsidenten gewählt worden – und dies ganz offenbar mit den Stimmen der Fraktionen von FDP, CDU und AfD. Tatsächlich war es nicht undenkbar. Die Wahl Kemmerichs hatte nicht als wahrscheinlich gegolten – aber auch nicht als ausgeschlossen.

Allen war vor der Abstimmung im Landtag klar: Im dritten Wahlgang, bei dem die einfache Mehrheit reicht, würde nicht nur die AfD, sondern auch die FDP einen Gegenkandidaten gegen den bisherigen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) aufstellen. Das Gerücht, dass dann die AfD in der geheimen Wahl geschlossen für den Liberalen stimmen könnte, waberte wie ein blaues Gespenst durch Erfurt. Warum ging Mohring das Risiko ein? Er sagt jetzt: „Weil es alle so wollten.“

Tatsächlich hatten am Abend vor der Wahl Landesvorstand und die Landtagsfraktion getagt. Dort wurde genau diese Frage diskutiert: Was tun im dritten Wahlgang, wenn Kemmerich wie ankündigt zusätzlich zu einem AfD-Kandidaten antritt? Die überwältigende Mehrheit war dafür, den FDP-Mann zu wählen. Mohring, so heißt es im Nachhinein übereinstimmend, habe vor einem drohenden Tsunami gewarnt – und jeden Abgeordneten einzeln abgefragt. Doch das Ergebnis blieb dasselbe. Auch Mohring bestätigt diese Darstellungen. Wenn das so stimmt, dann wurde er in die Situation getrieben – so, wie er seit der Wahlniederlage vom 27. Oktober getrieben wirkte.

Erst wollte er mit der Linken reden, dann mit SPD und Grünen, dann wieder mit der Linken. Doch jedes Mal lief er damit auf, entweder in der eigenen Partei oder bei den potenziellen Partnern.

Mohring bemüht um Erhaltung seiner Restmacht

Aber Mohring beging auch Fehler, kommunikative, taktische. Vielleicht liegt es gerade daran, dass die politische Karriere sein Lebensinhalt ist. 1989, da war er noch 17, trat er in das Neue Forum ein, später stieg er in der CDU auf, aus dem Lokalparlament in den Landtag, wo er mit 36 Jahren Fraktionschef wurde. Sein Ziel schon damals: Ministerpräsident. Diesem Traum ordnete er seitdem alles andere unter, auch sein Privatleben. Er ist ledig und hat keine Kinder. Als er vor gut einem Jahr die Krebserkrankung bekannt gab und danach bravourös damit umging, erschien es kurzzeitig so, als verändere sich Mohring.

Er selbst präsentierte sich jedenfalls geläutert, sprach von Demut und anderen Tugenden. Doch spätestens seit der Landtagswahlniederlage im Oktober, bei der seine Partei fast 12 Prozentpunkte verlor, wirkte Mohring so wie früher: taktierend und um die Erhaltung seiner Restmacht bemüht. Das lädierte seinen Ruf in Erfurt und in Berlin. Doch das versucht er, so gut es geht, zu ignorieren. Selbst wenn dies nun sein politisches Endspiel sein sollte: Er wird kämpfen.

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