Berlin. Beim deutschen Netzausbau eckt 1&1 als kleinster Anbieter regelmäßig an. Nun kommt Kritik von der Telekom – und die hat es in sich.

„1&1 baut Europas modernstes 5G-Netz“: Zurückhaltend ist der Telekommunikationskonzern 1&1 in seiner Werbung nicht – und bringt damit die anderen Netzbetreiber auf die Palme. „Fakt ist, dass man im angeblich modernsten Netz bis heute nicht telefonieren kann“, frotzelt Telekom-Deutschlandchef Srini Gopalan.

Der Netzausbau in Deutschland ist ein umkämpftes Feld. Lange bestritten ihn die drei Anbieter Telekom, Vodafone und Telefóncia mit seinem O2-Netz allein. Doch 2019 ersteigerte 1&1 erstmals ein Frequenzspektrum – eine Kampfansage an die Konkurrenz. Allerdings geht es nur mäßig voran. Bis Ende 2022 hätte 1&1 an 1000 Standorten Funkmasten für das neue 5G-Netz aufbauen sollen, am Ende standen gerade einmal fünf Masten.

Die Bundesnetzagentur eröffnete deshalb jüngst ein Bußgeldverfahren gegen 1&1. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erhob Ralph Dommermuth, Chef des 1&1-Dachkonzerns United Internet, Vorwürfe gegen die drei Konkurrenten. Telekom, Vodafone und Telefónica würden keine Gelegenheit auslassen, „uns gegen die Wand zu drücken“, sagte Dommermuth.

Mobilfunk-Netz: Anbieter fordern nationales Roaming

Tatsächlich hatte die Telekom gegen 1&1 für die Verwendung des Werbeslogans des „modernsten 5G-Netzes Europas“ geklagt – und vor Gericht eine Niederlage kassiert. Doch 1&1 geht es nicht nur um Werbung. Bei der Bundesnetzagentur reichte das Unternehmen einen Antrag ein, indem es forderte, dass alle Netze untereinander geöffnet werden sollten. Dieses „nationale Roaming“ würde bedeuten, dass 1&1-Kunden auch dort Empfang hätten, wo die Firma keine eigene Antennen hat – das würde die Attraktivität für Kunden augenblicklich steigern.

Telefónica-Deutschlandchef Markus Haas bezeichnete den Antrag bereits als „unverschämt“. Und auch Telekom-Deutschlandchef Srini Gopalan kann der Idee nichts abgewinnen. „Wir sollten uns darauf konzentrieren, die ganze Bevölkerung, insbesondere auch die ländlichen Gebiete, optimal zu versorgen. Das geht nicht, wenn einzelne Unternehmen ihr Geschäftsmodell zu Lasten dieses Ausbaus optimieren“, sagte Gopalan unserer Redaktion.

Der Deutschlandchef der Telekom, Srini Gopalan, hat eine Botschaft an Mitbewerber.
Der Deutschlandchef der Telekom, Srini Gopalan, hat eine Botschaft an Mitbewerber. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Doch nicht nur durch den 1&1-Antrag droht dem Marktführer Konkurrenz – in der Politik wird über die sogenannte Diensteanbieterverpflichtung gerungen. Sie würde dazu führen, dass große Handynetz-Betreiber gezwungen würden, kleinere Konkurrenten auf ihr Netz zu lassen. Für Firmen wie beispielsweise Freenet würde das Rückenwind bedeuten.

Mobilfunk: Telekom-Deutschlandchef warnt vor Teufelskreis

Gopalan ärgert die Diskussion. Würden andere Unternehmen zu staatlich bestimmten Preisen das Netz nutzen können, würde das weniger Investitionen und damit weniger Geschwindigkeit, mehr Funklöcher und weniger Kundenzufriedenheit bedeuten. „Es wäre ein Teufelskreis“, so Gopalan.

Außerdem gebe es eine Diskrepanz zwischen dem, was Anbieter wie 1&1 oder Freenet dem Kapitalmarkt und der Bundesnetzagentur melden würden. Während sie gegenüber dem Kapitalmarkt stolz auf ihre Profitabilität seien und im Falle Freenets jüngst die Dividende erhöht hätten, würden sie gegenüber der Bundesnetzagentur sinngemäß erklären, dass sie „ohne neue Regulierung pleitegehen“, so Gopalan. „Wenn 1&1 oder Freenet nicht investieren, aber die Vorteile von uns abgreifen wollen, dann habe ich damit ein Problem.“

Mobilfunk-Netz: Vorwurf wegen „verrückter Preisvorstellungen“

United Internet-Chef Dommermuth sieht das zumindest beim Punkt des nationalen Roamings anders. „Am Anfang muss man als Neueinsteiger nationales Roaming nutzen“, sagte er der FAZ. Die Telekom nutze etwa Roaming in den USA. In den Verhandlungen über ein nationales Roaming mit 1&1 hätten die drei Anbieter Telekom, Telefónica und Vodafone allerdings „unterirdische“ Angebote mit „verrückten Preisvorstellungen“ vorgelegt, so Dommermuth. „Das ist falsch“, schießt Gopalan zurück.

Neben dem erhitzten Streit im Inland könnte allerdings ein noch viel größeres Problem auf die Anbieter zurollen. Anfang Juni berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg, dass sich Amazon in Verhandlungen mit den US-Anbietern Verizon, T-Mobile und AT&T befinde, um seinen Prime-Kunden günstigen Mobilfunk anzubieten.

Amazon-Sprecher Bradley Mattner sagte zwar, dass es derzeit keine Pläne für Mobilfunk gebe – Wirkung zeigte die Spekulation dennoch. Die Telekom-Aktie verlor zwischenzeitlich bis zu zehn Prozent an Wert. „Die Investoren fürchten, dass ein neuer großer Wettbewerber wie Amazon die Preise weiter unter Druck bringt. Das klingt erstmal gut. Aber wer baut die Netze? Wer zahlt die Investitionen?“, sagte Gopalan. Bisher handele es sich aber um eine reine Spekulation.