Berlin. Die Wirtschaftsleistung in Deutschland schrumpft – auch wegen der hohen Inflation. Statistiker verzeichnen aber auch positive Impulse.

Die Wirtschaft in Deutschland ist im Winter in eine Rezession gerutscht. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte im ersten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent, nach einem Minus von 0,5 Prozent im 4. Quartal 2022, berichtete das Statistische Bundesamt am Donnerstag. In einer ersten Schätzung war die Behörde noch von einer Stagnation der Wirtschaftsleistung zu Beginn des Jahres ausgegangen.

Im Vergleich zum Vorjahresquartal sank das BIP um 0,2 Prozent. Die Wirtschaftsleistung wurde von rund 45,6 Millionen Erwerbstätigen erbracht. „Nachdem das BIP bereits zum Jahresende 2022 ins Minus gerutscht war, verzeichnete die deutsche Wirtschaft damit zwei negative Quartale in Folge“, sagte Behördenpräsidentin Ruth Brand. Schrumpft die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge, sprechen Ökonomen von einer technischen Rezession. Das bedeutet nicht, dass das Gesamtjahr negativ ist. Vor allem dank des milden Winters traten die schlimmsten Szenarien nicht ein – etwa ein Gasmangel, der tiefe Spuren hinterlassen hätte.

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Rezession in Deutschland: Das sind die Ursachen

Der Hauptgrund liegt in dem hohen Preisanstieg. Die Inflation bei Lebensmittel und Energie bremst vor allem bei privaten Verbrauchern die Einkaufsfreude. So sank der Konsum im ersten Quartal um 1,2 Prozent. Verbraucher und Verbraucherinnen sparten bei Nahrungsmitteln, Getränken, Bekleidung, Schuhen und dem Kauf von Einrichtungsgegenständen, so die Statistiker.

Auch wurden weniger Autos gekauft, was auf den Wegfall von Prämien für Plug-in-Hybride und die reduzierte Förderung für Elektrowagen zurückzuführen ist. Die staatlichen Konsumausgaben sanken sogar um 4,9 Prozent. Dies ist eine Folge der weggefallenen Corona-Maßnahmen – wie Impfungen oder Tests, die ein Jahr zuvor noch aus Steuergelder finanziert wurden.

Rezession: Welche Wirtschaftsbereiche laufen gut?

Vom milden Winter profitierte vor allem die Bauwirtschaft. Das Baugewerbe legte mit 6,1 Prozent am kräftigsten zu. Die Bauinvestitionen stiegen um 3,9 Prozent. Positiv entwickelte sich auch der Export, der um 0,4 Prozent zulegen konnte. Die Importe gingen unterdessen um 0,9 Prozent zurück, was auf die geringere Einfuhr von Rohöl, Mineralölprodukte sowie chemische Erzeugnisse zurückzuführen ist. Die Gastronomie profitierte von den weggefallenen Corona-Beschränkungen. Auch andere Dienstleistungen erhöhten ihre Leistungen.

Inflation: Warum ist sie so ein großes Problem?

Durch die Inflation verliert das Geld an Kaufkraft. Insbesondere Bürger mit geringen oder mittleren Einkommen trifft die Inflation hart. Diese Menschen treffe die Inflation „zwei bis drei Mal“ so stark wie solche mit hohen Einkommen, sagt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher: „Denn sie müssten einen viel höheren Anteil ihres monatlichen Einkommens für die Dinge ausgeben, die besonders teuer geworden sind – vor allem Energie und Lebensmittel.“

Wirtschaftswachstum 2023 in Deutschland wohl äußerst gering

Die Aussichten für Europas größte Volkswirtschaft sind nach Einschätzung von Experten für das Gesamtjahr gedämpft. Der Direktor des IMK der Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien, erwartet für 2023 eine Stagnation oder sogar Rezession. Der DIW-Chef prognostiziert eine längere Zeit der Stagnation oder geringes Wachstum, so Fratzscher. „Menschen mit geringen Löhnen und Einkommen werden in vielen Fällen noch mindestens fünf Jahre benötigen, bis die Kaufkraft ihrer Löhne und damit der Lebensstandard wieder das Vorkrisenniveau erreicht haben wird.“

Der Internationale Währungsfonds geht davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum um die Nulllinie herum bewegen dürfte. Der IWF ist damit pessimistischer als die Bundesregierung, die in ihrer Ende April vorgestellten Frühjahrsprojektion ein BIP-Plus von 0,4 Prozent erwartete.

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Die EU-Kommission rechnete in ihrer jüngsten Prognose mit einem Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent für Deutschland. Die deutsche Industrie habe sich als widerstandsfähig gegenüber den gestiegenen Produktionskosten erwiesen, heißt es aus Brüssel. Volle Auftragsbücher kurbelten das verarbeitende Gewerbe und die Exporte an. Zudem werde erwartet, dass sich die robuste Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt fortsetze, was zu einem Aufholen der Reallöhne führe und den Verbrauch stütze. 2024 könnte die deutsche Wirtschaft laut Prognose der EU-Kommission um 1,4 Prozent wachsen, die Bundesregierung geht von 1,6 Prozent aus.

Rezession: Was könnte die Politik tun?

Der Vorsitzende der Linksfraktion Dietmar Bartsch spricht sich für eine „konsequente Antiinflationspolitik zur Erholung der Wirtschaft und für den sozialen Zusammenhalt“. Statt Energiekonzerne zu pampern, sollte die Ampel für kostengünstige Energiepreise für Bürger, Unternehmen und Industrie sorgen. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Meyer, warnt vor einer Deindustrialisierung und fordert „weniger Bürokratie, weniger Steuern und Abgaben: „Ohne wachsende Wirtschaft, sind Sozialstaat und Klimaschutz nicht finanzierbar.“ (mit dpa/afp)