Washington. Nach dem tragischen Tod der Titan-Passagiere wird Kritik an den U-Boot-Entwicklern laut. Wie sicher war das Mini-Tauchboot wirklich?

Sie haben es weder kommen sehen noch gespürt. Der Tod im implodierten U-Boot am Wrack der Titanic kam "in Milli-Sekunden", erklärten Militär-Ärzte am Freitag. Die fünfköpfige Besatzung habe nicht gelitten. "Die Titan ist unter dem gewaltigen Druck in 3800 Meter Tiefe kollabiert, bevor die Menschen darin überhaupt bemerken konnten, dass es ein Problem gab", sagte die frühere Marine-Offizierin Aileen Marty.

Für die Angehörigen der Opfer im Alter zwischen 19 und 77 Jahren ist die Expertise ein schwacher Trost. Schon bevor die US-Küstenwache am Donnerstagnachmittag von einem "katastrophalen" Zwischenfall an Bord der Tauchkapsel berichtet, den niemand überlebt habe, gab es heftige Kritik am Betreiber Oceangate.

Die Firma des Titan-Entwicklers Stockton Rush, der zu den Toten zählt, werde perspektivisch wohl mit "gewaltigen Schadensersatzforderungen" konfrontiert, erklärten Juristen in Washington. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass alle Teilnehmer des im Desaster geendeten Tiefsee-Abenteuers vorher Verzichtserklärungen unterzeichnen mussten, in denen die tödlichen Gefahren mehrfach aufgeführt waren.

Es besteht keine Hoffnung mehr für die fünfköpfige Besatzung der Titan, die seit Sonntag als vermisst galten: Ihr Tauchboot soll in rund 3.800 Metern Tiefe implodiert sein.
Es besteht keine Hoffnung mehr für die fünfköpfige Besatzung der Titan, die seit Sonntag als vermisst galten: Ihr Tauchboot soll in rund 3.800 Metern Tiefe implodiert sein. © AFP | INDRANIL MUKHERJEE

Kritik an Tauchboot-Entwicklern: Titan wirkte „experimentell“

Rush hatte in Interviews eingeräumt, bei der Konstruktion des in vielen Aspekten auf Mitgereiste improvisiert wirkenden Tauchbootes "Regeln gebrochen" zu haben. 2021 und 2022 ging dies bei 46 wohlhabenden Titanic-Besuchern, die jeweils 250 000 Dollar für den Trip bezahlten, gut. In dieser Woche machte, nach der genauen Ursache für die Implosion wird noch gesucht, das Material der Tauch-Kapsel dem Unternehmer einen fatalen Strich durch die Rechnung.

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Zu den Kronzeugen der Kritik wurde der bekannte Hollywood-Regisseur James Cameron, der dem Untergang der Titanic in den 90er Jahren ein preisgekröntes Film-Denkmal setzte und rund 30-mal per U-Boot Tauchgänge zum Wrack durchführte. Cameron sagte in US-Medien, es gebe "unheimliche Parallelen" zwischen der Tragödie um die Titan und dem Sinken der Titanic 1912.

Damals habe der Kapitän des Ozeandampfers Warnungen vor Packeis im Nordatlantik in den Wind geschlagen, sagte der Kanadier dem TV-Sender ABC News. Im Falle der Titan seien Warnungen ignoriert worden, dass das Tauchboot viel zu experimentell gebaut sei, um Menschen dauerhaft sicher zur Titanic und zurückzutransportieren.

James Cameron, Regisseur des Hollywood-Films Titanic, hat selbst rund 30 Tauchgänge äußerte Kritik am Veranstalter Oceangate. Der tragische Tod der fünf Passagiere der Titan wäre seiner Meinung nach vermeidbar gewesen.
James Cameron, Regisseur des Hollywood-Films Titanic, hat selbst rund 30 Tauchgänge äußerte Kritik am Veranstalter Oceangate. Der tragische Tod der fünf Passagiere der Titan wäre seiner Meinung nach vermeidbar gewesen. © dpa | Ahn Young-Joon

"Wenn Sie ein Fahrzeug besteigen, sei es ein Flugzeug, ein Überwasserfahrzeug oder ein Tauchboot, sollten Sie darauf achten, dass es durch Zertifizierungsstellen geprüft wurde", betonte Cameron und sprach von einer "vermeidbaren Tragödie". In ähnlicher Weise hatten sich bereits seit 2018 etliche Experten der Tauchboot-Szene und ehemalige Mitarbeiter von Stockton Rush geäußert. Tenor: Wenn bei Oceangate was schiefgeht, wird die gesamte Branche in Mitleidenschaft gezogen.

Titan: U-Boot-Insassen können womöglich nicht geborgen werden

Während die internationale Such- und Rettungsmission bereits am Donnerstagabend eingestellt wurde, nachdem ein Tauch-Roboter Trümmerteile der Titan nur 500 Meter vom Titanic-Wrack in 3800 Meter Tiefe entfernt identifiziert hatte, ist unklar, wie es mit der Bergung der Überreste (und der Leichen) weitergeht. Konter-Admiral John Mauger, Chef der Küstenwache, sagte, in der Tiefe herrschten "unerbittliche Bedingungen".

Seine Worte wurde in US-Medien so interpretiert: Die fünf Toten der Titan werden voraussichtlich in ihrem Seegrab belassen. Ebenfalls unklar war gestern, ob die Firma Oceangate die Rechnung für den am vergangenen Sonntag gestarteten Rettungseinsatz präsentiert bekommt. Insider sprechen von zweistelligen Millionen-Summen.

Schon seit Sonntag sollen die Anführer der Such- und Rettungsmission gewusst haben, dass die fünf Insassen der Titan tot sind.
Schon seit Sonntag sollen die Anführer der Such- und Rettungsmission gewusst haben, dass die fünf Insassen der Titan tot sind. © dpa

Unterdessen wurde bekannt, dass die Führung der Such- und Rettungsmission offenbar sehr viel früher als bisher bekannt von dem katastrophalen Ende der Tiefsee-Expedition wusste. Wie das "Wall Street Journal" berichtet, hatte die US-Marine mittels eines hoch geheimen Überwachungssystems bereits am vergangenen Sonntag akustische Signale empfangen und eine "Unregelmäßigkeit" festgestellt, die zu einer Implosion oder Explosion in der Zone passen könnte, in der sich die Titan seinerzeit im Nord-Atlantik befand, sagte eine Sprecher der Navy.

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An jenem Sonntag war knapp zwei Stunden nach Beginn des Tauchgangs der kleinen Kapsel der Kontakt zum Mutterschiff Polar Prince abgebrochen. Erst acht Stunden später informierte Oceangate die US-Küstenwache. Die US-Marine legt Wert auf die Feststellung, dass die Rettungsmission frühzeitig über die Erkenntnisse informiert worden sei. Dort entschied man sich dafür, die Annahme als zu vage zu bewerten, um auf die Einleitung einer großangelegten Rettungsaktion zu verzichten. Die Hoffnung war bis zuletzt, die fünf Titan-Reisenden zu bergen, bevor der auf 96 Stunden begrenzte Sauerstoff-Vorrat an Bord ausgeht.