Berlin. Grünen-Chefin Ricarda Lang über den Rückzieher beim Heizungsgesetz, die Höhe der Förderung und die Wärmepumpe in der Parteizentrale.

Das Heizungsgesetz, der Asylkompromiss: Bei den Grünen ist die Stimmung vor dem Parteitag in Bad Vilbel so aufgeheizt, dass Erinnerungen wach werden an Joschka Fischer und die Auseinandersetzungen um den Kosovo-Einsatz der Nato. 1999, auf dem Parteitag in Bielefeld, bekam der erste grüne Außenminister einen Farbbeutel an den Kopf. Im Interview mit unserer Redaktion sagt Parteichefin Ricarda Lang, wie sie dem Zorn der Basis entgehen will.

Fliegen beim Parteitag der Grünen wieder Farbbeutel?

Ricarda Lang: Wir werden leidenschaftlich diskutieren, aber wie immer in großem Respekt voreinander.

Erst die Verschärfung des Asylrechts, jetzt die Entschärfung des Heizungsgesetzes. Der Grünen-Spitze droht ein Scherbengericht …

Lang: Ich glaube kaum. Die Reform des Asylrechts bewerten wir sehr unterschiedlich, darüber wird zu reden sein, völlig richtig. Dass jetzt das Heizungsgesetz kommt, ist hingegen ein großer Erfolg: Damit legt Deutschland auch im Wärmebereich den Hebel um und reduziert Schritt für Schritt die Abhängigkeit von Fossilen.

Und wir haben ja schon sehr viel auf den Weg gebracht: Dekarbonisierung der Industrie, Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren – nun steigt Deutschland um auf klimaneutrales Heizen. Wir übernehmen Verantwortung fürs Land. Und die Partei steht hinter dieser Politik.

Für den Asylkompromiss gilt das schon mal nicht. Der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin sagt es so: ‚Europas Flüchtlingspolitik wurde auf einem Niveau der Schäbigkeit harmonisiert.‘

Lang: Die ganze Partei ist sich einig in der Bewertung des Status Quo: Der ist unerträglich. Es gibt Lager wie Moria und auch in dieser Woche sind wieder Menschen im Mittelmeer ertrunken. Genau deswegen haben wir entschieden, uns auf schwierige Verhandlungen über ein gemeinsames europäisches Asylsystem einzulassen.

Und auch wenn ich überzeugt bin, dass die Lösung ohne Deutschland schlechter ausgesehen hätte, muss ich ganz klar sagen: In zentralen Punkten konnten wir uns nicht durchsetzen. Bei den Grenzverfahren haben wir keine grundsätzliche Ausnahme für Minderjährige erreicht. Und nun gibt es zwar erste Schritte bei der Verteilung von Geflüchteten in Europa, aber eben immer noch keinen verpflichtenden und damit wirksamen Mechanismus. Damit wird das Ergebnis der Lage an den Außengrenzen nicht gerecht.

Und nun?

Lang: Jetzt kommen die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament und der Kommission. Für mich ist zentral, dass alle Kinder mit Familien von Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen ausgenommen werden.

Ricarda Lang ist seit Anfang 2022 Co-Parteichefin der Grünen.
Ricarda Lang ist seit Anfang 2022 Co-Parteichefin der Grünen. © FUNKE Foto Services | Maurizio Gambarini

Wenn Sie sich damit nicht durchsetzen – soll Deutschland den Asylkompromiss ablehnen?

Lang: Wir werden als Partei zu einer gemeinsamen Haltung finden. Am Ende werden wir uns das Ergebnis anschauen, natürlich mit besonderem Blick darauf, ob die UN-Kinderrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention eingehalten werden und ob wir in Europa tatsächlich zu geordneten rechtsstaatlichen Verfahren kommen, die die Lage verbessern.

Was sagen Sie den Kommunen, die nicht noch mehr Flüchtlinge verkraften?

Lang: Es sind drei Dinge, die den Kommunen wirklich helfen. Erstens: Mehr Geld für Unterbringung und Integration. Da wurde ein erster Schritt gegangen auf der letzten Ministerpräsidentenkonferenz. Aber Kurzzeitlösungen geben keine Sicherheit. Zweitens: Schnelle, faire und geordnete Asylverfahren. Und drittens eine Integrationsoffensive.

Beim Heizungsgesetz haben die Grünen erst die Bevölkerung verunsichert und dann den Rückzug angetreten. Wie wollen Sie das als Erfolg verkaufen?

Lang: Die Regierung hat gezeigt, dass sie handlungsfähig ist. Das Ergebnis ist gut für den Klimaschutz und für die Bürgerinnen und Bürger, die bezahlbare und sichere Wärme bekommen.

Neue Öl- und Gasheizungen können jetzt bis 2028 eingebaut werden. Damit haben Sie auch noch die eigene Klientel verstört.

Lang: Überall dort, wo die kommunale Wärmeplanung abgeschlossen ist und die Menschen wissen, ob bei ihnen beispielsweise ein Fernwärme- oder Wasserstoffnetz verfügbar sein wird, gelten die Regelungen des Gebäudeenergiegesetzes. Viele Bundesländer sind da schon weit fortgeschritten. Bei abgeschlossener Wärmeplanung kann sich dann jeder für die passende Option entscheiden.

Grundsätzlich gilt: Spätestens ab dem 1. Januar 2024 macht es wenig Sinn, neue Öl- und Gasheizungen einzubauen. Denn die Preise für fossile Energien werden in den nächsten Jahren in die Höhe schießen. Öl- und Gasheizungen sind wirtschaftlich unvernünftig. Es ist wichtig, genau hinzuschauen. Deswegen gut sieht der Gesetzentwurf übrigens auch eine Beratung durch Experten vor.

Sie wollen, dass die Leute ihre Heizung freiwillig tauschen.

Lang: Nein. Es geht doch um Fälle wie Neubauten oder wenn die alte Heizung kaputt ist. Da gilt ab 2024: Gut beraten lassen, was langfristig sinnvoll ist. Nicht zuletzt durch den Zertifikatehandel, der den Ausstoß von Treibhausgasen bepreist, wird Öl und Gas spätestens ab 2027 teurer. Heißt: Das wird sich auf der Heizrechnung widerspiegeln.

Wer den Leuten einredet, dass Gas- und Ölheizungen sich lohnen, betreibt aktive Verbrauchertäuschung. Die Zeit, in der neue Öl- und Gasheizungen eingebaut werden sollten, ist vorbei. Ich rate den Bürgerinnen und Bürgern: Setzen Sie auf erprobte, bezahlbare, zukunftsfeste Heizungen.

Der Umstieg auf eine Wärmepumpe ist manchmal gar nicht so einfach. Die Grünen – so berichtet es der „Spiegel“ – versuchen seit Jahren vergeblich, in ihrer Parteizentrale eine Wärmepumpe einzubauen.

Lang: Das stimmt nicht so ganz, es geht voran und wir werden sie noch dieses Jahr in Betrieb nehmen.

Trotzdem dauert es peinlich lange.

Lang: Wir bauen eine Geothermieanlage mit Tiefenbohrung. Das hat einen etwas längeren Vorlauf und ist deutlich aufwendiger als der Einbau einer üblichen Wärmepumpe, wie sie überwiegend in Deutschland genutzt wird.

Das Heizungsgesetz wird jetzt im Bundestag beraten. Was wollen Sie noch korrigieren?

Lang: Ich lege großen Wert darauf, dass wir die Bürger bei der Investition in eine neue Heizung unterstützen. Wir setzen uns für einen starken sozialen Ausgleich ein, möglichst gestaffelt nach Einkommen. Im Koalitionsausschuss haben wir uns darauf verständigt, dass niemand alleine gelassen wird beim Heizungstausch.

Bedeutet konkret?

Lang: Bei geringeren Einkommen sollte der Staat bis zu 80 Prozent der Kosten für eine neue Heizung übernehmen, das hat unsere Bundestagsfraktion vorgeschlagen. Ein Millionär braucht wohl eher keine staatliche Unterstützung.

Was, wenn die FDP dazu Nein sagt?

Lang: Alle in der Koalition sind sich einig, dass wir die Menschen bis weit in die Mitte der Gesellschaft entlasten werden.

Ist das so?

Lang: Im Koalitionsausschuss haben wir Grüne anfangs leider ziemlich allein dafür gekämpft, die staatliche Förderung sozial zu staffeln. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir im parlamentarischen Verfahren nun zu guten Lösungen kommen.

Den Grünen laufen die Anhänger weg – in Umfragen liegt Ihre Partei inzwischen klar hinter der AfD. Tut den Grünen die Ampel nicht gut?

Lang: Die Ampel steht in den Umfragen insgesamt nicht gut da, obwohl wir viel gemeinsam erreichen. Nur der Weg dorthin ist manchmal etwas steinig. Jetzt ist die Zeit, ein paar Blockaden aufzulösen und Gesetze durch den Bundestag zu bringen: Das Gebäudeenergiegesetz, das Klimaschutzgesetz und viele Verkehrsvorhaben. Das sind die Leitplanken, die wir jetzt setzen müssen.

Die Ampel geht nach den vielen Jahren des Stehenbleibens zu GroKo-Zeiten die großen Zukunftsfragen an: Wie machen wir uns unabhängig von Autokratien? Wie schaffen wir bezahlbaren Wohnraum? In welchen Jobs arbeiten wir in 20 Jahren? Wie sichern wir unseren Wohlstand? Darauf geben wir Antworten.

Sie sind sicher, dass die Koalition bis zur Wahl 2025 hält?

Lang: Ja.