Berlin. Deutschland muss seine Asylpolitik überdenken. Ein Pakt der Ampel-Koalition mit der Union wäre dabei eine Chance, findet Jörg Quoos.

Monatelang war es zu still um die Probleme, die deutsche Städte und Kommunen schon seit Langen mit der wachsenden Zahl an Flüchtlingen haben. Selbstbestimmungsrecht, Cannabisfreigabe, der ewige Streit um das Heizungsgesetz – es schien schon fast, als hätte die Politik eines der drängendsten Probleme durch konsequentes Ignorieren lösen wollen.

Angesichts bevorstehender Wahlen und aufgeweckt von hohen Zustimmungswerten für die AfD, schlägt das Pendel jetzt mit fast unkontrolliertem Schwung in die andere Richtung. Die Debatte um Asyl und Migration könnte hektischer und schärfer kaum sein. Und unsachlich, muss man hinzufügen, wenn man die Falschbehauptung von Friedrich Merz zu den abgelehnten Asylbewerbern und ihren Zähnen dazuzählt.

Dass Merz Unsinn geredet hat, wird dem CDU-Chef mittlerweile selbst aufgegangen sein. Sogar Parteifreunde zählen Merz an und stellen seine Eignung als Kanzlerkandidat in Frage. Auch eine Anzeige wegen Volksverhetzung sieht nicht gut aus, auch wenn sie Wahlkampfmunition der Linken ist. So etwas sollte einem Parteivorsitzenden nicht passieren.

Das Thema Migration sollte aus Wahlkämpfen herausgehalten werden

Der Mann aus Brilon wird das einmal mehr erklären und sich entschuldigen müssen. Schlauer ist es von Friedrich Merz, wenn er der Bundesregierung jetzt ein gemeinsames Vorgehen gegen die illegale Migration anbietet. Sollte der Vorschlag wirklich ernst gemeint sein, bietet sich die Chance zu einem Pakt der Vernunft, der vor allem zwei Ziele haben sollte: Eine Eindämmung der illegalen Einwanderung nach Deutschland durch ein Maßnahmenpaket, das Kontrollen, Abschiebungen und eine Beschleunigung der juristischen Verfahren beinhalten müsste. Und eine Art Übereinkommen, dass man das Thema Migration gemeinsam aus den Wahlkämpfen heraushalten will.

Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion © Dirk Bruniecki

Schon jetzt – vor der Bayernwahl – scheint es einen Überbietungswettbewerb speziell in der Union zu geben, wer die strengsten Migrationsregeln will. Doch dieser Wettstreit führt zu keiner Lösung und sehr wahrscheinlich auch nicht zu guten Wahlergebnissen. Denn niemand wird bei diesem Thema die AfD übertreffen. Mehr Ablehnung von Flüchtlingen, gepaart mit Fremdenhass, geht nicht. Viele haben schon vergessen: Es war die ehemalige Berliner AfD-Landesvorsitzende Beatrix von Storch, die an den EU-Grenzen auf Flüchtlinge sogar schießen lassen wollte.

Weiterer Streit um Migrationsfragen hilft nur der AfD

Ein weiteres aufgeheiztes, öffentliches Streiten um die Grenzen der Migration würde nur der AfD in die Karten spielen. Daher sollten weder die Ampel-Koalition noch die Union der Versuchung erliegen, mit dem Thema Stimmen zu sammeln und Stimmung zu schüren. Dass die Innenministerin und Hessen-Wahlkämpferin Nancy Faeser (SPD) die Merz-Offerte umgehend ausgeschlagen hat, ist kein gutes Zeichen. Sie sollte es wie der Kanzler halten, der mit kühlem Kopf erklärte: „Herr Merz kann immer einen Termin mit mir haben.“

In der Sache muss dringend etwas passieren. Es war der parteilose Altbundespräsident und Theologe Joachim Gauck, der es auf den Punkt brachte: „Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind endlich“. Wie endlich, könnten die Verantwortlichen in den Aufnahmeeinrichtungen vor Ort erfahren. Thüringen, regiert von einem Ministerpräsidenten der Linken, musste seine Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl Freitagnacht wegen Überfüllung schließen. Ähnliche Nachrichten werden wir noch öfter hören, wenn die Chance auf einen Pakt der Vernunft nicht ergriffen wird.