Berlin. Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zum Unterricht fahren, bringen häufig andere Kinder in Gefahr. Nun erhöhen die Kommunen den Druck.

Morgens um kurz vor acht Uhr, fast überall in deutschen Städten: Vor den Schulen wird es richtig eng, weil Eltern ihre Kinder mit dem zum Unterricht bringen. Da wird rangiert, in der zweiten Reihe geparkt, gewendet. Mitunter gibt es auch Stau bis in die benachbarten Straßen hinein.

Die Fahrer dieser „Elterntaxis“ haben häufig das Gefühl, ihre Kinder zu schützen – denn sie ersparen ihnen ja einen Schulweg durch den dichten Berufsverkehr. Oft ist der Bringdienst auch die einzige Möglichkeit, das Kind einigermaßen pünktlich und stressfrei von der Wohnung zur Schule zu bekommen. Diejenigen Kinder aber, die sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad einen Weg durch das Gewühl vor der Schule bahnen müssen, sind zusätzlichen Gefahren ausgesetzt. Besonders heikel ist das vor Grundschulen: Kleine Kinder, oft schwer bepackt mit Schultasche und Turnbeutel, sind hinter großen Autos kaum zu sehen.

Zahlen steigen seit Jahren: Immer mehr Autos in Deutschland

weitere Videos

    Die Elterntaxis sind Verkehrsexperten und Elternvertretern schon seit geraumer Zeit ein Dorn im Auge. Auch in Rathäusern und Ministerien macht man sich verstärkt Gedanken über die Verkehrssicherheit vor Schulen. Nun erhöht auch der Deutsche Städtetag den Druck. In dem Verband sind die kreisfreien und kreisangehörigen Städte organisiert.

    Städtetags-Präsident Markus Lewe sagte dieser Redaktion: „Vor vielen Schulen ist das morgendliche Verkehrschaos durch Elterntaxis die Regel. Zu viele Eltern wollen leider immer noch ihre Kinder mit dem eigenen Auto bis zur Schultür bringen.“ Der Christdemokrat Lewe, im Hauptberuf Oberbürgermeister von Münster, fordert mehr Freiraum für die Kommunen, um auf die örtlichen Gegebenheiten reagieren zu können. „Wir wollen in Abstimmung mit den Schulen und Eltern entscheiden, was sinnvoll ist, ohne immer mit viel Aufwand eine konkrete Gefahrenlage nachweisen zu müssen.“ An die Eltern wiederum appellierte Lewe, „im Interesse aller Kinder Alternativen für den Schulweg ihrer Kinder zu prüfen“.

    Elterntaxis: Schilder oder Poller können Zufahrt beschränken

    Bundeweit hat die Debatte über Elterntaxis gerade erst durch einen Vorstoß des bevölkerungsreichsten Bundeslands Nordrhein-Westfalen an Schwung gewonnen. Ein Erlass von NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) soll es Städten und Gemeinden erleichtern, präventiv tätig zu werden und kommunale Straßen vor Schulen während der Stoßzeiten am Morgen und Nachmittag kurzzeitig zu sperren – etwa mithilfe von Schildern oder automatischen Pollern. Eine konkrete Gefahrenlage muss nicht mehr nachgewiesen werden. Für Anwohner sollen mögliche Sperrungen nicht gelten.

    Krischers Ministerium empfiehlt, in der Nähe der Schulen so genannte Bring- und Abholzonen einzurichten – also spezielle Halteflächen für Autos. Die Kinder können dann die letzten Meter zur Schule zu Fuß gehen. Das Vorgehen soll verhindern, dass der Elterntaxi-Verkehr in die Nebenstraßen der Schule verlagert wird.

    All das geschieht in NRW im Rahmen des Straßenrechts, für das die Länder zuständig sind. Die Straßenverkehrsordnung, für die der Bund zuständig ist und die Vorschriften für den Straßenverkehr in ganz Deutschland formuliert, ist dadurch nicht berührt. In den einzelnen Bundesländern gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, ob man überhaupt tätig werden muss, um den Kommunen den gewünschten Freiraum in Sachen Schulstraßen zu geben. Vielerorts herrscht die Ansicht vor, dass die Rechtslage bereits jetzt ausreiche, damit Städte und Gemeinden aktiv werden können.

    So teilt etwa das niedersächsische Verkehrsministerium auf Anfrage mit, dass es nach seiner Auffassung keines Erlasses nach Landesrecht bedürfe. Ebenso heißt es aus dem Thüringer Infrastrukturministerium: „Für Thüringen wird fachlicherseits keine Notwendigkeit für eine entsprechende Erlassregelung gesehen.“ Gleiches ist aus dem Freistaat Sachsen zu hören.

    Bundesländer: „Arbeitshilfen“ und „Handreichungen“ für die Rathäuser

    Im Land Berlin hingegen hat die Verkehrsverwaltung eine „Arbeitshilfe“ für die Bezirke formuliert, die es ihnen erleichtern soll, Straßen vor Schulen kurzzeitig zu sperren. In Hamburg verweist man darauf, dass in den Bezirken bereits Projekte für mehr Schulwegsicherheit in Planung oder Umsetzung seien, das geschehe im Rahmen des geltenden Rechts. Das Stuttgarter Verkehrsministerium teilt mit: „Damit Schulstraßen bei geeigneten Schulstandorten im Land deutlich häufiger angeordnet werden, arbeitet das Verkehrsministerium Baden-Württemberg derzeit an einer Handreichung. Sie wird klare Rahmenbedingungen und praktikable Lösungen für die Einrichtung von Schulstraßen verdeutlichen.“

    Städtetags-Präsident Lewe sagte jetzt dieser Redaktion, mit den vorhandenen Möglichkeiten täten die Kommunen in Sachen Verkehrssicherheit, was möglich sei: Schülerlotsen unterstützten an manchen Schulen den sicheren Schulweg. Auch Halteverbote vor den Schulen könnten helfen oder Tempo-Reduzierungen. Für Schulstraßen aber brauche es aus Sicht der Städte „eine bundesweite und rechtssichere Lösung“.

    Die Kommunen müssten insgesamt vom Gesetzgeber mehr Entscheidungsspielraum bei der Verkehrsplanung und -steuerung bekommen, betonte Lewe. „Deshalb appellieren wir an die Länder und den Bund, endlich den Vermittlungsausschuss anzurufen und die dringend nötige Novelle des Straßenverkehrsgesetzes wieder in die Spur zu bringen.“ Die von der Berliner Ampel-Koalition auf den Weg gebrachte Reform war im vergangenen November im Bundesrat gestoppt worden. Sie sollte den Städten neue Möglichkeiten geben, um der Dominanz des Autoverkehrs zu begegnen.