Weimar. Spektakulär sind die Leistungen der geistig behinderten Kletterer bei ihrer Special-Olympics-Premiere. Das große Weimarer Team glänzte in heimischer Halle mit Medaillen. Sogar Blinde ertasten beim Wettkampf den steilen Weg nach oben.

„Jetzt lassen wir die Korken knallen“, jubelt Jessica Machts, als ihr der Reporter berichtet, dass sie in ihrer Leistungsklasse gewonnen hat. „Das kann nicht wahr sein, wirklich?“, schaut die 23-Jährige aus Berlstedt ungläubig. Die Eltern Doreen und Maik hatten sie mit den Teamkollegen bis nach ganz oben angefeuert. „So gut war ich noch nie“, erzählte Jessica nach ihrer Bestzeit beim Toprope-Wettbewerb, wo es bis zum Dach der Kletterhalle in Weimar geht.

Krupinski klettert als einziger Athlet ganz nach oben

Auch ihre Trainerin Elisabeth Bock strahlt. „Ich habe gar keinen Überblick, wer hier was gewonnen hat. Jeder gibt alles und geht an die Schmerzgrenze. Das ist hier ziemlich fantastisch. Die Halle ist voll und tobt“, so Bock über ihre Schützlinge bei der ersten nationalen Meisterschaft. Weil es bei den Special Olympics nicht so viele Wintersportarten gibt, wurden Klettern, Tanzen und Floorball mit ins Programm genommen.

Auch Tim Krupinski, der Kletterer mit den großen Händen auf dem Thüringer Special-Olympics-Plakat, liefert eine beeindruckende Leistung ab. Als einziger Sportler in Leistungsklasse 2 klettert er „top“ ganz bis nach oben. 26 Griffe – souverän. „Kurz vor Schluss wurde es schwierig, aber es war auch Grad 7. Mehr bin ich noch nicht geklettert“, meinte Krupinski nach dem Sieg.

Blinde und eine Rollstuhlfahrerin am Start

Frank Schwuntek, Vorsitzender des Deutschen Alpenvereins Sektion Weimar und Gastgeber für die Special-Olympics-Gäste, meint beeindruckt: „Ich glaube nicht, dass ich das geschafft hätte.“ Schwuntek bewundert die behinderten Sportler, „die hier wie ‚Normalos‘ die Wand hoch gehen.“ Kilian Leitsch aus Fulda zischt beim Speed-Wettbewerb wie ein Blitz in elf Sekunden über die Wand. Dann steigt Nadine Hoischen aus Köln aus ihrem Rollstuhl, um tatsächlich zu klettern. Und dann ertasten tatsächlich Blinde ihren Weg nach oben. Pure Gänsehaut löst das aus.

Bronze strahlt wie Gold für Frauen

Ein bisschen ungerecht sei es schon gewesen, meinte Heike Naujoks. Die Saalfelder Skilangläuferin musste wie ihre Schleusinger Kollegin Melanie Göpfert auf ihren Strecken mit den Männern antreten. Beide ließen aber wenigstens einen Konkurrenten hinter sich und eroberten Bronze. 5-km-Sieger Matthias Steitz, der 2011 schon Gold bei den Weltspielen in Athen im Radsport gewann, jubelte ausgelassen. Der Schleusinger empfing im Ziel auf den Knien auf seine Teamkollegin Göpfert. Heike Naujoks meinte: „Wegen der Nominierung für die Weltspiele 2025 müssen wir Frauen nun abwarten.“ Das gilt auch für Athletensprecher Manuel Wehner (Schleusingen), der Zweiter wurde.

Trainerin Bock ist ihrem Weimarer Verein und der Lebenshilfe Weimar/Apolda dankbar für die seit Jahren gute Unterstützung. Dabei ist die gesamte Special-Olympics-Trainingsgruppe Mitglied im Alpenverein. „Das ist gelebte Inklusion. Man gehört einfach dazu“, sagt sie. Auch Carsten Knobbe ist begeistert. Der Jenaer Kletterer hilft den Sportlern mit ein paar Tipps. „Hier in dieser Meisterschaftsatmosphäre übertrumpfen sich viele. Wirklich schade, dass Klettern bei den Weltspielen 2025 in Turin noch nicht dabei ist“, sagt Knobbe.

Alexandra Katsch gewinnt zweites Gold

Dass es in Thüringen nur eine organisierte Klettergruppe gibt, liegt am Personal. „Dort, wo sich in den Einrichtungen oder Vereinen jemand um den Behindertensport kümmert, sieht man schnell Erfolge“, sagt Bock. Jessica Machts klettert erst seit zwei Jahren. „Ich hab keine Angst und viel Spaß dabei“, sagt sie und lacht mit ihrer Mutter, die sich über Jessicas Selbstbewusstsein freut. „Der Klettersport hilft den Athleten auch im Leben und im Beruf“, findet Frank Schwuntek.

Ihre zweite Goldmedaille hat Alexandra Katsch gewonnen. Die Kleine mit der großen Brille wird von Susann Tromsdorf an der Hand gehalten. Sie wurde Dritte in der höchsten Leistungsklasse und war damit nicht mal zufrieden. „Alex‘ Erfolg war unheimlich überraschend“, sagt Trainerin Bock. Die 27-Jährige mit dem Down-Syndrom klettert seit drei Jahren und fühlt sich in der Höhenluft pudelwohl. Dann wird der Reporter von ihr umarmt. Jeder bekommt an diesem Tag eine Portion Glück geschenkt.

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