Berlin. Männer sind Versorger, und Frauen hüten Kinder – von wegen. Eine Studie belegt, dass Frauen schon früh unerwartete Rollen erfüllten.

Der Mann ist der Jäger und die Frau die häusliche Sammlerin – diese Geschlechterrollen haben sich über Jahrtausende hinweg in der Gesellschaft etabliert. Erst vor wenigen Jahrzehnten wurden die Stereotype mit der Gleichberechtigung von Frauen und Männern aufgelöst. Neuere archäologische Forschungen zeigen jedoch, dass die klassische Rollenaufteilung in vielen prähistorischen und auch jüngeren Kulturen auf der Erde nicht zutreffend war. Frauen sind nicht nur mit auf die Jagd gegangen, sondern sogar in den Krieg gezogen.

Geschlechterrollen: Diese Aufgaben hatten Männer und Frauen

Die strikte Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau bei der Lebenssicherung ist ein seit langem bestehendes Leitbild in der Öffentlichkeit und in der Forschung. Jedem Geschlecht wird eine Aufgabe zugeschrieben. Diese Geschlechterrollen "werden üblicherweise mit zusätzlichen geschlechtsspezifischen Merkmalen verbunden", erklären die Forschenden in ihrem Bericht. Beim klassischen Bild von "Men the Hunter and Women the Gatherer" sah das folgendermaßen aus:

GeschlechtRolleAttribute
MannJäger
  • weniger emotional
  • aggressiv
FrauSammler
  • fürsorglich
  • interessiert an Kindern

Es ist bereits seit über einem Jahrhundert bekannt, dass diese geschlechtsspezifischen Rollenbilder variabel sind und nicht in jeder Kultur praktiziert wurden. Die neueren archäologischen Forschungen liefern jedoch erstmals ein genaueres Bild der Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen im prähistorischen Kontext.

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Archäologische Forschung: Frauen waren mehr als Sammlerinnen

Die Forschenden berufen sich bei ihren Annahmen zunächst auf entdeckte Überreste. "Zu den bekanntesten Entdeckungen der letzten Zeit gehört eine 9000 Jahre alte Bestattung" in Peru. Sie "enthielt eine erwachsene Frau sowie ein Jagdwerkzeug, das aus Steinprojektilen und Geräten zur Tierverarbeitung bestand", heißt es in dem Forschungsbericht. Darüber hinaus wurden prähistorische Grabstätten von elf weiteren Frauen aus zehn verschiedenen Fundorten in Amerika entdeckt, die mit Jagdwerkzeugen für Großwild bestattet wurden.

Mit Hilfe "einer Wahrscheinlichkeitsanalyse "aller siebenundzwanzig Fundorte, die Hinweise auf die Großwildjagd enthielten" wurde festgestellt, "dass Frauen einen "nicht unerheblichen" Anteil an den Großwildjägern in ganz Amerika ausmachten", so der Bericht. Bis zu fünfzig Prozent der prähistorischen Großwildjäger Amerikas waren demnach Frauen.

Geschlechterrollen: Nicht nur Männer sind früher auf die Jagd gegangen, sondern auch Frauen
Geschlechterrollen: Nicht nur Männer sind früher auf die Jagd gegangen, sondern auch Frauen © picture alliance / Design Pics

Forschung zu Geschlechterrollen: Frauen haben gejagt und gekämpft

Frauen haben aber nicht nur an der Jagd teilgenommen, sondern sind auch in den Kampf gezogen. 2017 wurde in Schweden "ein Individuum zusammen mit Waffen und Ausrüstung gefunden, die mit hochrangigen Wikingerkriegern in Verbindung gebracht wurden", berichten die Forschenden. In der Menschheitsgeschichte wurden kriegerische Tätigkeiten bislang überwiegend mit Männern in Verbindung gebracht, deshalb wurde in diesem Fall angenommen, dass es sich um ein männliches Individuum handelt. Doch eine DNA-Untersuchung ergab, dass es eine Frau ist.

Und sie ist nicht die einzige weibliche Kriegerin. Archäologen entdeckten "eine 2 500 Jahre alte Grabstätte, in der vier weibliche Personen mit Waffen und Kriegerausrüstung gefunden wurden", heißt es in dem Forschungsbericht. Frauen waren also bereits vor Tausenden von Jahren keineswegs nur Sammlerinnen und Erzieherinnen.

Die Rolle der Frau: Mutter, Jägern, Kriegerin

Die Forschenden untersuchten zudem, ob Frauen auch in jüngeren Jägergesellschaften an der Jagd beteiligt waren. Dazu wurden Daten aus der Literatur über 63 verschiedenen Futtersuchgesellschaften aus Nordamerika, Südamerika, Afrika, Australien, Asien und der ozeanischen Region analysiert. "Von den 63 Jägergesellschaften mit klaren Beschreibungen von Jagdstrategien waren 79 Prozent weibliche Jäger", erklären die Forschenden. " In Gesellschaften, in denen die Jagd als wichtigste Subsistenztätigkeit gilt, nahmen Frauen zu 100 Prozent aktiv an der Jagd teil", heißt es weiter.

Die weite Verbreitung der weiblichen Jagd zeigt laut den Forschenden, dass Frauen eine entscheidende Rolle bei der Nahrungssuche gespielt haben. Sie bereiten sich nicht nur auf die Jagd vor, sondern sind auch darin geübt. Laut dem Forschungsbericht sind sie sowohl bei der Wahl der Waffen als auch bei den Jagdstrategien sogar flexibler als Männer:

Jagdstrategien

Frauen

Frauen jagen

  • tagsüber,
  • allein oder in einer Gruppe mit ihren Ehemännern, anderen Frauen Kindern und Hunden
  • und nutzen verschiedene Werkzeuge wie Pfeil und Bogen, Messer, Netze, Speere, Macheten und Armbrüste.
Männer

Männer jagen

  • nachts,
  • überwiegend allein, mit ihrer Frau oder mit einem Hund
  • und nutzen hauptsächlich Pfeil und Bogen.

Frauen mussten somit nicht zu Hause bleiben und die Kindern hüten. Sie haben sie einfach mitgenommen. "Frauen haben in Jägergesellschaften auf der ganzen Welt an der Jagd teilgenommen und tun dies auch heute noch, unabhängig vom Status des Kinderkriegens. Die gesammelten Daten über jagende Frauen stehen in direktem Widerspruch zu dem traditionellen Paradigma, dass Frauen ausschließlich sammeln und Männer ausschließlich jagen, und verdeutlichen die Vielfalt und Flexibilität" der Arbeitsteilung zur Überlebenssicherung, sagen die Forschenden.

Die Forschung wurde in der internationalen Online-Fachzeitschrift "PLOS ONE" veröffentlicht.