Berlin/Reykjavik. Ein zweiter Ausbruch innerhalb kurzer Zeit versetzt Isländer in Angst. Doch die Gefahr könnte noch lange andauern. Ein Experte erklärt.

Vulkanologen haben gerade Hochkonjunktur auf Island. Nach dem zweiten Ausbruch eines Vulkans auf der Insel im Nordatlantik sind die Menschen in Alarmstimmung. Besonders hart traf es am Sonntag die 4000 Einwohner von Grindavik etwa 40 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Reykjavik. Ihr Ort musste evakuiert werden, nachdem Lava aus einer Hunderte Meter langen Erdspalte austrat und mehrere Häuser zerstörte. So etwas hatte es auf Island zuletzt vor einem halben Jahrhundert gegeben. Grindavik liegt auf der Reykjanes-Halbinsel im Südwesten Islands, auf der es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Vulkanausbrüchen kam.

Vorerst scheint sich die Lage etwas beruhigt zu haben. Elísabet Pálmadóttir, Expertin für Naturkatastrophen beim Isländischen Meteorologischen Institut, sagte am Dienstag dem örtlichen Rundfunksender RÚV, es gebe keine Anzeichen mehr dafür, dass neue Lava ausgetreten sei. Dennoch könne man den Vulkanausbruch noch nicht für beendet erklären, sagte Pálmadóttir laut RÚV. Es könnten sich in der Gegend weiterhin plötzlich Erdrisse auftun.

Isländischer Präsident wendet sich nach Ausbruch an seine Landsleute

Der isländische Präsident Gudni Th. Jóhannesson sah sich nach dem erneuten Ausbruch zu einer Rede an die Nation veranlasst. Um seinen Landsleuten Mut zu spenden, zitierte er seinen Vorgänger Kristján Eldjárn, der sagte: „Es braucht für die Isländer weniger als diese Katastrophe, um zu realisieren, dass diese kleine Nation mehr wie eine große Familie ist, die weiß, dass, was immer einem von uns geschieht, uns allen geschieht.“ Jóhannesson erinnerte in seiner Rede auch an einen Vulkanausbruch auf der Insel Heimaey im Jahr 1973, bei dem Lava und Asche zahlreiche Häuser zerstörten.

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Während Islands Präsident der Bevölkerung gut zuredet, zeigen sich Experten von den Vulkanausbrüchen nicht überrascht. „Seit 2021 gab es ja wiederholt Ausbrüche, und wir rechnen mit weiteren Ausbrüchen in der nahen und sogar teilweise fernen Zukunft. Die Aktivität auf der Reykjanes-Halbinsel wird vermutlich noch mehrere Jahre mit kleinen Ausbrüchen weitergehen, die aber leider auch Ortschaften und Infrastruktur betreffen können“, sagte der deutsche Vulkanologe Valentin Troll von der schwedischen Universität Uppsala gegenüber tagesschau.de.

Auf Island stoßen zwei tektonische Platten zusammen

Grund für die Ausbrüche sei insbesondere die Lage der Reykjanes-Halbinsel auf der Spreizungszone zweier tektonischer Platten, der Nordamerikanischen und der Eurasischen Platte. Diese rieben aneinander, was zu Öffnungen in der Erdkruste führen könne, führte Troll aus. Der Überdruck in den unterirdischen Magmakammern könne sich dann durch Eruptionen entladen. Die Folge: Glühend heiße Lava wälzt sich bis über die Erde und kann auch menschliche Behausungen bedrohen.

Videografik: So kommt es zu Vulkanausbrüchen

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    Wie bei vielen anderen Vulkanen weltweit hätten auch die in Island eine Art „Rhythmus“, erklärte Troll. Ihre Aktivität vollziehe sich in Zyklen. „Es gibt Perioden, da passiert circa 800 Jahre lang nichts, und dann gibt es Perioden, in denen viel Aktivität stattfindet, die 200 bis 300 Jahre dauern“, sagte Troll. Auf Island habe jetzt ein neuer Aktivitätszyklus begonnen, glaubt der Vulkanologe. Die fünf Vulkansysteme auf der Halbinsel könnten in den nächsten Jahren immer wieder aktiv werden, was zu „kleineren Vulkaneruptionen“ führen könne.

    Vulkanologe: Aktivität könnte mehrere Jahre bis Jahrzehnte andauern

    Ganz ähnlich schätzen das auch andere Experten ein. „Nach acht Jahrhunderten relativer Unterbrechung und völliger Einstellung der Oberflächenaktivität sind wir in eine neue Episode der Plattentrennung eingetreten, die mehrere Jahre – möglicherweise Jahrzehnte – dauern könnte“, sagte der Vulkanologe Patrick Allard vom französischen Institut de Physique du Globe de Paris gegenüber der Nachrichteagentur AFP. Die kürzlichen Ausbrüche hätten gezeigt, dass sich das Magma sehr nah an der Erdoberfläche befinde und bereit zum Ausbruch sei. Auch er geht allerdings davon aus, dass die weiteren Ausbrüche nicht riesig sein werden.

    Eine Luftaufnahme des Lavafelds mit der inaktiven südlichen Spalte neben der Stadt Grindavik
    Eine Luftaufnahme des Lavafelds mit der inaktiven südlichen Spalte neben der Stadt Grindavik © Marco Di Marco/AP/dpa | Unbekannt

    Hinzu kommt: Mittlerweile können Wissenschaftler Eruptionen ziemlich gut prognostizieren. Daten wie Bodenhebungen, seismische Aktivität, Erdbeben, Temperaturentwicklungen, Gasausstöße würden in die Prognosen einfließen und ließen eine ziemlich genaue Vorhersage zu, erklärte Vulkanologe Troll gegenüber der Tagesschau. Das würde dabei helfen, Menschen rechtzeitig zu warnen und aus den Gefahrengebieten zu evakuieren.

    Neben den Lavaströmen, die laut Troll durch Dämme wenigstens etwas eingegrenzt werden könnten, bereiten den Experten giftige Gase Sorgen. Bei einer ungünstigen Windrichtung sei sogar eine Stadt wie Reykjavik gefährdet. Im Falle der Reykjanes-Halbinsel würden die Gase durch den Wind aber in der Regel auf das Meer hinausgetrieben und durch die Windstärke erheblich verdünnt. „Aber im näheren Umfeld könnte das natürlich problematisch sein. Die Schutzbehörden, die Feuerwehr, die Polizei, die müssen eben mit Gasmasken in die Bereiche um den Vulkan, um sich selber zu schützen - lokal können also solche Gefahren auftreten“, erklärte Troll.

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