Sydney. Die neuseeländischen Ureinwohner ringen um mehr Schutz für die Meeressäuger – und greifen dafür nun zu außergewöhnlichen Mitteln.

Viele indigene Menschen pflegen eine enge Beziehung zur Natur. In ganz Polynesien gelten insbesondere Wale als heilig. Die Geschichten der Māori in Neuseeland erzählen davon, wie die Wale – in ihrer Sprache Tohorā – ihre Vorfahren über den Pazifik geführt haben. Die indigenen Gruppen verstehen sich bis heute als Beschützer der Meeressäuger.

Diesen Schutz wollen die Indigenen aus Neuseeland, Tahiti und den Cookinseln nun nochmals stärken. In der vergangenen Woche unterzeichneten sie eine Erklärung, die Wale als juristische Personen anerkennt. An der Zeremonie auf Rarotonga, der größten der Cookinseln, nahmen neben dem Māori-König Tūheitia Potatau te Wherowhero VII auch Stammesführer aus Tahiti und den Cookinseln teil. Der Māori-König betonte dabei, dass der Vertrag „nicht nur aus Worten auf dem Papier besteht“. Er verglich ihn mit einer Art „Schutzumhang für unsere Taonga, unsere Schätze, die prächtigen Wale“.

Neuseelands Māori wollen Walen „Autorität über Ozeane zurückgeben“

Bereits im vergangenen Jahr erklärte Aperahama Edwards, Anführer des indigenen Stammes Ngāti Wai, warum sein Stamm sich dafür einsetzt, Wale als juristische Personen zu behandeln. Die Maßnahme würde den indigenen Stämmen „die Autorität über ihre Ozeane zurückgeben“, meinte er. In der aktuellen Erklärung des Māori-Königs hieß es zudem, dass Umweltverschmutzung, Klimawandel und die Zerstörung ihres Lebensraumes die Tiere bedrohten. Von den insgesamt acht Wal-Spezies, die im Pazifischen Ozean leben, sind fünf bereits gefährdet.

Bei der Zeremonie unterschrieben die Stammesführer eine Erklärung, die Wale als juristische Personen anerkennt.
Bei der Zeremonie unterschrieben die Stammesführer eine Erklärung, die Wale als juristische Personen anerkennt. © Linda Bercusson

Obwohl viele pazifische Inselstaaten schon heute Walschutzgebiete in ihren Gewässern geschaffen haben, hoffen Naturschützer, dass die historische Vereinbarung Druck auf die Landesregierungen ausüben wird, den Schutz der Wale weiter zu verbessern. Die Lebenskraft des Pazifischen Ozeans sei untrennbar mit dem Wohlergehen der Wale verbunden, sagte Mere Takoko, Vizepräsidentin von Conservation International in Neuseeland. Ihre Lieder seien „der Herzschlag des Ozeans“. „Wir haben die Verantwortung, ihr Überleben für kommende Generationen zu sichern“, so die Umweltschützerin.

Tiere haben unter anderem „Recht auf Bewegungsfreiheit“

Erhalten auch die Wale einen Personen-Status, bedeute dies, dass man ihnen bestimmte Rechte einräumen könne, wie Takoko erklärte. Die Tiere würden damit beispielsweise das Recht auf Bewegungsfreiheit, das Recht auf eine gesunde Umgebung oder das Recht auf die Wiederherstellung ihrer Populationen erhalten.

Derzeit sammeln die Umweltschützer Gelder für einen Fonds von 100 Millionen US-Dollar. Mit den Geldern, die unter anderem durch den Verkauf von Wal-Versicherungen zusammenkommen sollen, sollen die Landesregierungen bei der Einrichtung des legalen Rahmenwerks unterstützt werden. Geplant sind aber auch Investitionen in die Hightech-Überwachung der Meeressäuger.

Die Erklärung zum Schutz der Wale von den neuseeländischen Ureinwohnern und den anderen indigenen Gruppen in der Region soll den Tieren mehr Rechte ermöglichen.
Die Erklärung zum Schutz der Wale von den neuseeländischen Ureinwohnern und den anderen indigenen Gruppen in der Region soll den Tieren mehr Rechte ermöglichen. © Shutterstock | Vladimir Turkenich

Würden Wale als juristische Personen behandelt, so könnten Bußgelder oder Prämienanpassungen bei Versicherungen drohen, sollte ein Schiff einen Wal rammen und verletzen oder sogar töten. Im Gegenzug würden Versicherungsunternehmen vermutlich verlangen, dass Schiffe über Überwachungs- oder Antikollisionsgeräte verfügen, um die Wahrscheinlichkeit für Zusammenstöße zu verringern. Wie Takoko betonte, demonstriere die Initiative so „ein bahnbrechendes Wirtschaftsmodell für den Naturschutz“, das auf dem Wissen, aber auch auf dem Leadership der Māori basiere.

Neuseeland: Auch ein Fluss hat bereits Personenrecht

Neuseelands Ureinwohner haben in der Vergangenheit schon häufiger ähnliche Konzepte durchsetzen können. So wird die Region Te Urewera seit 2014 wie ein neuseeländischer Bürger behandelt. 2017 erhielt der Whanganui River, einer der längsten Flüsse Neuseelands, das Personenrecht. Auch der Mount Taranaki hat inzwischen auf diese Weise besonderen Schutzstatus verliehen bekommen.

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Hintergrund ist der Glaube der neuseeländischen Ureinwohner, der Menschen auf eine Stufe mit der Natur stellt – seien es Wälder, Flüsse, Berge, Seen oder das Meer. Die Erde – Papatūānuku – ist die große Mutter, die all dies, inklusive Menschen und Tiere, geboren hat. Diese Weltanschauung bildete die Grundlage für die Entscheidung der neuseeländischen Regierung, eine Region, einen Berg oder einen Fluss wie einen neuseeländischen Bürger zu behandeln.